In dunkler Nacht
Bin ich der Jugend Pfade einst gegangen;
Irrlichter viel umhüpften und umschlangen
Mit wirrem Spiel des Thales glatten Steg,
Und keine Leuchte schien auf meinen Weg.
Da schlug in's Herz durch irre Einsamkeiten
Der Rettungsruf mir wie aus Himmelsweiten:
In dunkler Nacht
Die Liebe wacht!
In dunkler Nacht
Ist mir der Ernst des Mannes dann gekommen;
Doch zur Gefährtin hatt' ich sie genommen,
Die meinem Leben war der milde Stern.
Nun zog ich mutig auch in schwanke Fern',
Ich wußte ja, daß mir ein Trost beschieden,
Daß in der Heimat süßgeschloss'nem Frieden
In dunkler Nacht
Die Liebe wacht!
In dunkler Nacht
Hab' ich sie jetzt in's dunkle Grab gebettet.
Was hab' ich nun für's Leben mir gerettet?
Mein Stern erlosch - giebt's keine Leuchte mehr?
Aus Himmelsweiten wieder hoch und hehr
Ruft Trost und Rettung da die ew'ge Gnade:
Sind noch so einsam finster Deine Pfade,
In dunkler Nacht
Die Liebe wacht!
Aus: Deutsche Lyriker seit 1850
Mit einer litterar-historischen Einleitung
und biographisch-kritischen Notizen
Herausgegeben von Dr. Emil Kneschke
Siebente Auflage Leipzig Verlag von Th. Knaur 1887
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