Die kalten Finger

Heut hielt ich lang' die grabkühle Hand
Einer Sterbenden in der meinen:
Nun will mir's immer noch scheinen,
Ihr Frost sei mir in die Finger gebannt.

Und nun, du holdes Leben,
Mein Lieb, kommst du mit deiner Glut,
Mit offenen Armen und heißem Blut -
Und ich steh' kalt daneben?!

Nennst du mich kalt? Ich bin's nicht! Nein,
Nur meine Finger frieren
Und möchten dich nicht berühren! -
Liebe muß abergläubisch sein! 

aus: Hugo Salus Die Blumenschale Gedichte
Albert Langen Verlag für Litteratur und Kunst
München 1908

Collection: 
1900

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