An die Frauen

Ging es nach jenen, die der Freiheit Spur
Von je verfolgt mit Stangen und mit Spießen,
So müßte sich die weibliche Natur
Dem heißen Hauch, dem Drang der Zeit verschließen,
So dürfte auch das „sittige" Geschlecht,
Dem gern des Hauses „stille Welt" sie lassen,
Um keinen Preis sich mit dem Kampf ums Recht
Und mit dem Sturm, der ringsum weht, befassen.

Sie wissen wohl, es wächst der Männer Mut,
Die Not des Zustands, den man schlau erklügelt,
wenn der Begeistrung wunderbare Glut
Aus Frauenaugen blitzt, die Frau beflügelt;
Wenn mit dem Mann, nicht gegen ihn sie sinnt
In dem gewalt'gen, schicksalsschweren Streite
Und wenn dem Ernst der Zeit sie abgewinnt
Nach heit'rer Frauenart die lust'ge Seite.

Und viel ist lustig, viel ist lächerlich
An dem Koloß, mit dem die Männer ringen;
Sie nehmen alles leicht zu feierlich,
Zu ernst und schwer an den verhaßten Dingen.
Da springe scherzend die Genossin ein
Mit ihrem Scharfblick, den wir nie erreichen,
Und lust'ge Schalkheit soll ihr Helfer sein,
Dem Mann die Falten von der Stirn zu streichen!

Collection: 
1898

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(1889.)

Als zu des schönen Friedensfestes Feier
Die Reiche alle la belle France entbot,
Da barg ein jedes hinter dichtem Schleier
Der Wange züchtiges, verschämtes Roth.
Von jedem kam ein höflich kühles Schreiben –
Sie lehnten...

(1890.)

Das giebt ein ehrenreiches Jahr!
Du zwanzigster des Februar,
Wir werden dein gedenken
In hoher Lust, in Mannesstolz,
Bis sie im Sarg von Tannenholz
Uns in die Erde senken.

Nach langer Nacht ein glorreich Licht!
...

So oft ich noch zu Büchern der Geschichte
Geflüchtet mich in stiller, tiefer Nacht,
Der ernsten Sammlung tragischer Gedichte,
Wie sie kein Träumer brennender erdacht,
Hab’ ich die Blätter umgewandt mit Beben
Und scheu geschlossen das gewicht’ge Buch,
...

(Letzte Nummer des „Sozialdemokrat,“ 27. Sept. 1890.)

Ihr habt über ihn das Exil verhängt,
Ihr Ritter von Bibel und Säbel;
Ihr habt an den Fuß ihn der Gletscher versprengt
Und in Englands stickige Nebel;
Doch hat er sich allzeit der Feinde...

Ich habe kaum ein Wort mit dir gesprochen,
Ich habe kaum ins Auge dir gesehn,
Und dennoch hast du meinen Stolz gebrochen –
Ein süßes Wunder ist an mir geschehn;
Doch ward die Saat des Glückes, kaum entsprossen,
Von scharfer Sichel nieder auch gemäht –
...