Die Blicke

An Dora

Röthliche, goldbesäumte Wolken hüllen
Ihre Stralen nicht mehr! Sie kommt, die Sonne!
Blickt allgütig lächelnde Freud' und junges
Leben hernieder!

Schimmernder blühn die thaubenezten Fluren;
Jedes zitternde Blümchen athmet Freude,
Stralt in Regenbogen die Sonnenblicke
Lieblicher um sich.

Himmlischer aber lächelt mir das Auge,
Ach! das Grazienauge meines Mädchens!
Blicket mild ins Herz mir noch ungefühlte,
Selige Freuden!

Wallendes Leben bebt durch jede Nerve,
Klopft in jeglichem Pulse; frohe Schauer
Strömen in die trunkene Seele namen-
Loses Entzücken!

Aber ach! Wehmut blickt mir oft ihr blaues
Auge! Wehmut und Trübsinn! dann entquellen
Sehnsuchtsseufzer, thaut mir der Liebe Zähre
Ueber die Wange!

Duftige Nebel locket so die Sonne
Aus dem Blumengefild am Sommerabend;
Trübe steigt der wolkige Schleier, träufelt
Labende Kühlung. - -

Blicke mir, meine Dora, blicke Wehmut
Mir ins liebende Herz! Auch sie gewähret
Süsses namenloses Gefühl, der Liebe
Traute Gesellin!

Bis du mir einstens (Ahndung lispelt's leise,
Ahndung, ach! die zur Hofnung noch nicht reifte!)
Bis du Lieb' im schmachtenden Auge, Liebe,
Liebe mir lächelst!

Collection: 
1794

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