Der Zephyr und die Rose

Um volle Rosenbeetchen
Schwärmt' einst zum Zeitvertreib
Ein junges Zephyrettchen,
Und suchte sich ein Weib.

Der Königin der Rosen
Ergab der Freier sich,
Zu lieben und zu kosen
Verstand er meisterlich.

Die besten Frühlingsdüfte
Bracht' er zum Morgengruß.
Die lau'sten Sommerlüfte
Nahm er zu seinem Kuß.

Und Seufzer stahl und kräuselt'
Er hin zu ihrem Ohr,
Und ganze Tage säuselt'
Er ihr von Liebe vor.

Bald hüpft er auf dem Teiche
Und amüsirte sie,
Bald schuf er kleine Sträuche
Zu Lauben um für sie.

 Der Nachtigallen Töne
Holt' er vom Wald herzu
Und lullte seine Schöne
Des Nachts damit in Ruh.

Und schlief sie nun, so wühlte
Er kühn in ihrer Brust;
Die Rose träumt' und fühlte
Die nahe Götterlust.

Und ihre süßen Düfte
Verschlang und sammelt er,
Und trug sie durch die Lüfte
Stolzirend weit umher.

Die Morgentropfen küßte
Er ihr vom Busen früh,
Und keine Freude mißte
Bei seiner Liebe sie.

Umbuhlt von ihrem Freier,
Wähnt sie sich hochbeglückt,
Indeß die Trauungsfeier
Tag täglich näher rückt.

Den letzten Tag im Lenzen
 Da ward er Mann, sie Frau;
Von Sang und Freudentänzen
Ertönte Feld und Au.

Der Ehe Sommer glühte
Zwar manchmal heiß, doch schön,
Und seine Gattin blühte
Nun noch einmal so schön.

Der Herbst kam, und was keimte
Stand nun in voller Frucht,
Das Eh'paar sprach und träumte
Von schöner Rosenzucht.

Doch kälter war das Wehen
Des Gatten um sie her,
Auf Auen und auf Seen
Gab's keine Freude mehr.

Es rückte täglich kälter
Der Winter nun heran:
Die gute Frau ward älter
Und frostiger der Mann.

Sein Hauch, der sonst sie kühlte,
Ward nun wie schneidend Eis,
In seinem Säuseln fühlte
 Sie sich dem Sturme preis.

Und sprach er nun, so nahm er
Stets beide Backen voll;
Im Sturmgeheule kam er,
Und hauste bittervoll.

Und in des Winters Arme
Fiel Reiz auf Reiz von ihr;
Im kurzen sah die Arme
Sich blätterlos und dürr.

Doch ward darum nicht milder
Des Mannes Winterhauch,
Er stürmte desto wilder
In seinen - Dornenstrauch.
(Band 3 S. 43-46)
_____

Collection: 
1862

More from Poet

Immerdar mit leisem Weben
Schwebt dein süßes Bild vor mir,
Und ein liebesehnend Beben
Zittert durch die Seele mir.

Weg aus deinem Zauberkreise,
Wo du mich so fest gebannt,
Zog durch eine weite Reise
Mich...

Zwei Augen sind's, aus deren Blicken
Die Sonne selbst ihr Feuer stahl
Seht, Männerherzen, gleich den Mücken,
Dreh'n taumelnd sich in ihrem Strahl.

O sonnt' ich doch in diesen Augen,
Den Mücken gleich, mein Angesicht,...

O, wie süße
Lebt es sich!
Ich genieße
Wieder mich.
In der Nähe
Hab' und sehe
Ich mein All!
Wer sie kennet,
Der durchrennet
Berg und Thal;
Ach, ich kannte,
...

Der Tausendkünstler Amor ließ
Sich bei der jungen Dorilis
Zum Rechenmeister dingen,
Und wußt in einer Stunde da
Die ganze Arithmetika
Ihr spielend beizubringen.

Im Rechnen und im Lieben sind
Fünf Species...

Die Tyrannei, die so viele Sklaven
Zählt als Menschen auf der Erde sind,
Und mit ihren sieggewohnten Waffen
Alles zwingt, ist doch der Freiheit Kind.

Sie, an deren schwerem Siegeswagen
Wir nie anders als gebunden geh'n,...