Der Welfenfonds

(1891.)

Weil auf sein Land, das ihm der Krieg genommen,
Rechtlich Verzicht der alte, blinde König
In starrem Welfentrotze nie gethan,
Behielt man sein Privatvermögen inne
Und hob es für ihn auf, bis mürb’ geworden
Des alten Herrn und seines Sohnes Sinn.
Da niemals Frieden er mit Preußen schloß
Und selbst mit seiner Welfenlegion
„Soldaten“ spielte, wie er das gewohnt,
Beschloß man, an den Zinsen ihn zu strafen
Und sie nicht mehr zum Kapital zu legen,
Vielmehr zur Abwehr seiner bösen Ränke
Und Machenschaften diesen Zinsbetrag
Nach eigner Einsicht bestens zu verwenden.
Zunächst bestand im Land Hannover selbst
Die löbliche Verwaltungs-Kommission
Und wenn die Kosten der Verwaltung man
Nebst den Beschlagnahms-Kosten voll gedeckt,
So überreichte der Finanzminister
Den Rest dem Herrn Ministerpräsidenten,
Der damit schaltete, wie ihm gefiel.
Dafür, daß die Verwendung richtig war
Und der Beschlagnahmsordnung voll entsprach,
Trug die Verantwortung er ganz allein.
Alljährlich legte er persönlich Rechnung
Dem König ab, wies die Verwendung nach
Und eine Ordre aus dem Kabinet
Hieß die Verwendung gut. Die Ordre legte
Man zu den Akten, die Belege aber
Verbrannte man und ihre Asche streute
Man in die Lüfte. Nirgends steht geschrieben,
Wo all das schöne Welfengeld geblieben.

     *          *          *
Man kann vermuthen nur; ein mattes Licht
Fällt ab und zu in diese tiefe Nacht.
Daß ein Minister für den Schwiegervater,
Mit dem es übel steht, durch Bürgschaftsleistung
Getreulich eintritt, ist ein hübscher Zug;
Daß er, als man den Bürger würgen will,
Nicht zahlen kann, ist hübsch nicht, doch begreiflich,
Denn dreimalhundertfünfzigtausend Mark
Kann man sich am Gehalte nicht ersparen,
Selbst wenn man preußischer Minister ist.
Da treten Freunde ein für den Bedrängten,
Der seine Lage ihnen offenbart;
Der Rummel wird bezahlt und eines Tages
Erscheint der Herr Ministerpräsident
Bei dem Minister; mit lakonischem
„Von Majestät!“ reicht dar er ein Packet
Und aus der Hülle des Packets spazieren
Die dreimalhundertfünfzigtausend Mark.
Gerührt von solcher königlichen Gnade,
Beugt der Minister ehrfurchtsvoll sein Haupt –
Und auf den ganzen wunderlichen Handel
Kam nie mit einer Silbe man zurück.
Erst jetzt geräth die Welt auf die Vermuthung,
Daß unser braver Welfenfonds gewesen
Der königliche Spender; zu beweisen
Wird es kaum sein – ist der Belege Asche
In alle Winde lange doch verweht!

Collection: 
1893

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(1889.)

Als zu des schönen Friedensfestes Feier
Die Reiche alle la belle France entbot,
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Von jedem kam ein höflich kühles Schreiben –
Sie lehnten...

(1890.)

Das giebt ein ehrenreiches Jahr!
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Nach langer Nacht ein glorreich Licht!
...

So oft ich noch zu Büchern der Geschichte
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Wie sie kein Träumer brennender erdacht,
Hab’ ich die Blätter umgewandt mit Beben
Und scheu geschlossen das gewicht’ge Buch,
...

(Letzte Nummer des „Sozialdemokrat,“ 27. Sept. 1890.)

Ihr habt über ihn das Exil verhängt,
Ihr Ritter von Bibel und Säbel;
Ihr habt an den Fuß ihn der Gletscher versprengt
Und in Englands stickige Nebel;
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Ich habe kaum ein Wort mit dir gesprochen,
Ich habe kaum ins Auge dir gesehn,
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Doch ward die Saat des Glückes, kaum entsprossen,
Von scharfer Sichel nieder auch gemäht –
...