Der Pelz

Meine Muse friert im hohen Norden,
Und ein Pelzlein ist ihr Traum geworden,
Weiches Fell! Ihr müßt sie hören schwärmen,
Wie das prächtig kleiden soll und - wärmen.

Ach, ich kann ihr keinen Wunsch versagen.
Meine Muse wird ihr Pelzlein tragen,
Und am Weihnachtstag sollt ihr sie sehen
Stolz und schön im neuen Pelze gehen.

Was er kostet? Hört denn: unter Brüdern,
Einen ganzen Band von Liebesliedern,
Frühlingsliedern, Liedern stillen Glückes!
Und ich schau ihn an verklärten Blickes:

Was in tiefster Brust begann zu keimen,
Was ich faßte dann in bunten Reimen,
Was ich ihr verdanke, Lenz und Lieder,
Geb' ich ihr am Weihnachtsabend wieder.

Wahrlich, keiner Königin auf Erden
Kann ein Krönungspelz verliehen werden,
Wie ich meiner Muse ihn verbräme!
Wenn nur schon der Weihnachtsabend käme!

aus: Hugo Salus Ernte
Albert Langen Verlag für Litteratur und Kunst
München 1903

Collection: 
1900

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