Der Neugeborene

Nach Adrien Dézamy.
(1883.)

In eines Arbeitsmanns Daheim! – Im Bett,
Dem weißen, saubern, ruht sie ernst und bleich,
Die junge Mutter; ärmlich aber nett
Hält diese Frau ihr kleines, enges Reich.
Der Mann tritt ein, die nerv’gen Arme nackt,
Die Stirn gebräunt, und setzt sich neben sie,
Bewegt und froh. Die sonst den Hammer packt,
Die schwielenreiche Hand, wird zart wie nie.
Es ist, als ob er eine Rose pflückt,
So zaghaft nimmt er auf den Arm das Kind,
Bewundert es und lacht es an und drückt
So manchen Kuß auf seine Wange lind.

Er plaudert mit dem Kleinen: „Das macht Muth!
Ein Sohn, ein Erbe! Püppchen, warte nur –
Nun thut die Arbeit noch einmal so gut,
Doch seh’ ich Abends öfter nach der Uhr!
Denn komm’ ich heim, dann bist du da, Patron,
Dann wiegt man dich, dann schäkert man mit dir. –
Frau, er ist wirklich hübsch, dein kleiner Sohn!
Dir sieht er ähnlich, aber niemals mir!“
Die Mutter flüstert: „Aber schweige doch!
Er schläft ja süß und fest – siehst du das nicht? –
Geht das so fort, erwacht der Schelm mir noch!“
Fügt sie hinzu mit schmollendem Gesicht.

Sie schmollt und ist so glücklich doch und froh!
Der Mann gehorcht, dem kleinen Kerl zu Lieb’,
Und er verstummt und überwältigt so
Des eignen Herzens ungestümen Trieb.
Doch seine Freude macht sich siegend Luft –
An seinen Wimpern hängt ein Thränenpaar.
So bringt der Liebesrose feinsten Duft
Der stumme Mann dem jungen Weibe dar,
Und dieser Mann, so trotzig, derb und rauh,
Dem sonst kein Wort der Schmeichelei gelingt,
Vermittelt so der blassen jungen Frau
Das Lied der Lieb’, das ihm im Herzen klingt.

Collection: 
1893

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