Ein Edler von Florenz, durch des Geschickes Güte
Mit Gaben jeder Art im Ueberfluß versehn,
Hochsinnig, tüchtig, reich und schön
Und in der Jahre schönster Blüthe,
Von jedem Mädchenblick mit stiller Lust gesehn,
Doch immer kalt dabei, entglühte,
Wie’s edlen Seelen oft geschehn,
Zuletzt für eine Frau, schon einem Andern eigen,
Und ihrem Gatten hold und treu.
Er naht sich ihr mit frommer Scheu
Und flehend spricht sein Blick, wenn auch die Lippen schweigen.
Doch sie, sey’s, daß sie nichts entdeckt,
Sey’s, daß, was sie bemerkt, sie ihm und sich versteckt,
Fährt fort, sich heiter zwar, doch fremd und kalt zu zeigen.
Und was er für sie thut und leidet, kann auf ihn
Nicht einen ihrer Blicke ziehn.
Doch läßt Anselm, der innig, doch bescheiden,
Wie man an Heil’ge denkt, bis jetzt an sie gedacht,
Wie einem Heil’genbild ihr Opfer dargebracht,
Den unbelohnten Dienst mit nichten sich verleiden,
Ja, höher hat ihr Frost sein Feuer angefacht.
Je mehr sie sich bemüht, ihn zu vermeiden,
Je stärker zieht an sie ihn die geheime Macht.
Er denkt: Sie hatte nicht des leisen Flehens Acht,
Das Werben stillen Leids und Sehnens war vergebens;
Laß sehn, vielleicht gefällt ihr Pracht,
Und heitre Lust des lauten Wonne-Lebens.
So fängt er nun, voll heftigen Bestrebens
Nach ihrer Gunst, und täglich mehr berauscht,
Ein neues Leben an, vertauscht
Sein schlichtes Kleid mit prunkenden Gewanden,
Mit einem stolzen Schloß sein altes Vaterhaus
Und füllt’s mit Gästen an, verschreibt aus allen Landen
Das Köstlichste zum leckern Schmaus;
Schafft Ross’ und Diener an, giebt Rennen und Turniere,
Und zieht auf sich die Augen aller Welt;
Doch ob er Müh’ und Zeit und Hab’ und Gut verliere,
Gewiß ists, daß er ihr nicht mehr als einst gefällt.
Schon ist sein halbes Gut zerronnen,
Doch hat er keinen Schritt zu seinem Ziel gewonnen,
Und noch ist ungelöscht, ja wilder tobt die Gluth.
Er fühlt es und erkennt, wie toll und unbesonnen
Er einem Schatten folgt, und ihm mit blinder Wuth
Sich selbst zum Opfer bringt – doch wie die wilde Fluth,
Ob auch der Steuermann das Steuer dreh’ und wende,
Nur seiner spottend herrscht, und nach dem Felsenriff
Unwiderstehlich braust, damit das arme Schiff
Dort scheiternd sein Geschick vollende;
So zieht auch ihn, mag nimmer der Verstand
Ihm klar das Ziel des Wahnes weisen,
Die Leidenschaft in wilden Wirbelkreisen
Dahin zum klippenvollen Strand.
Nicht hilft ihm Widerstand und Sträuben,
Nicht eigener Entschluß, nicht ächter Freunde Rath.
Das, was er erst, ihr zu gefallen that,
Verzweifelnd thut er’s jetzt, sich selber zu betäuben.
So lebt er denn noch manche Monden lang
Bei Jagd und Spiel und Tanz, bei Schmaus und Becherklang,
Bis Hab’ und Gut am Ende ganz zerstäuben.
Und nun erwacht sein Stolz, wie er sich hart gepreßt
Von rauhern Mahnern sieht, und scheucht den argen Schwindel.
Er schließt die Rechnung ab, entläßt
Die Dienerschaft und das Gesindel,
Das schon von selbst den kalten Heerd verläßt;
Verkauft Schloß, Feld und Wald, die Wagen und die Rosse,
Der Bücher werthen Schatz, die blanken Jagdgeschosse,
Und der Gemächer Schmuck, das köstliche Geräth,
Und selbst den alten Wein im wohlversorgten Keller,
Bezahlt als Ehrenmann bis auf den letzten Heller,
Wischt eine Thräne sich aus jedem Aug’ und geht,
Froh, daß ihm übrig doch der Ehre Kleinod bliebe,
Ein kleiner Meyerhof, ein Falk und seine Liebe.
Der gute Falke saß, als er zum letztenmal
Durch seine Zimmer ging, im ausgeräumten Saal
Als werthlos übersehn, auf seiner Stange;
Und als Anselm, der ihn zum lust’gen Flug
So oft hinaus auf seinem Arme trug,
Vorüberschritt, da schrie er, als verlange
Er nach dem heitern Jägerzug.
Da kehrt’ Anselm sich um und sprach: Du alter Knabe,
Willst du mit mir, so komm. Vielleicht, daß ich genug,
Um dich zu füttern, übrig habe,
Und sicher Luft genug für einen freien Flug.
Drum komm, und sey der Freund, deß treuer Sinn mich labe.
So nimmt er denn das Thier, das sich vor Freude bläht,
Auf seinen Arm, und streichelt es, und geht.
Frau Isabella hört, was er für sie erduldet
Von ihrem eignen Mann, und spricht: Was er verschuldet
Ertrag’ er denn; ihn hat sein eigner Wahn umgarnt,
Vielleicht daß sein Geschick manch’ andern Thoren warnt.
Sie spricht’s mit äußrer Ruh, allein mit innerm Kummer,
Und öfter schwebt fortan sein Bild
Ihr freundlich vor im Wachen und im Schlummer,
Und seiner denkt sie mitleidsvoll und mild.
Indessen geht Anselm, begleitet
Von einem alten Diener nur,
Den Falken auf dem Arm, zu Fuße fort, und leitet
Den ungewöhnten Schritt nach jener stillen Flur,
Wo ihm den Zufluchtsort sein Meierhof bereitet.
Ein kleines Haus, ohn’ alle Spur
Von Glanz und Pracht, doch liebliche Natur
Vor seinen Fenstern ausgebreitet,
Liegt dort erhöht am sanften Bergeshang,
Im Hintergrund des schönsten Buchenthales,
Und eine Straße läuft den kleinen Fluß entlang,
Der zwischen Erlenreihn den Blitz des Himmelsstrahles
Erzitternd rückwärts wirft beim Sonnenuntergang;
Dann weiter vor, wo räumiger und freier
Die Gegend wird, den schönsten Silberweiher
Mit seinen klaren Wellen füllt.
Anselm gelangt zu seiner Thür, von Schmerzen
Als wie von Wolkenflor den edeln Geist umhüllt;
Doch wie vor seinem Blick sich dieser Reiz enthüllt,
Da wird es klar in seinem Herzen.
Er spricht zu sich: Was du verschuldet hast,
Das dulde jetzt und duld’ es ohne Klagen.
Und wird dir allzuschwer die Last,
So helfe dir das schöne Bildniß tragen,
Das dir im Herzen lebt. Für dieses Bild allein
Hast du, ein Thor, dem Wahne dich ergeben,
Jetzt soll dies Bild mit seinem Heil’gen-Schein
Zum rechten Thun, zum weisen Leben
Unwandelbar dein Leitstern seyn.
Und er beginnt sich stracks zur Arbeit einzurichten,
Erscheint als Bauer am Gewand,
Wenn auch am Anstand nicht, und läßt die Hand,
Gewöhnt an Ritterkunst, nun andern Dienst verrichten;
Macht sich vertraut mit Egg’ und Pflug und spannt,
Der Rosse Bändiger, der Sieger im Turniere,
Beim ersten Morgenlicht davor die trägen Stiere,
Und treibt sie an, und schreitet bis zum Brand
Des Mittags hinterdrein, und furcht sein kleines Land;
Dann von den Schultern hängt herab bis zu den Hüften,
Gefüllt mit schwerem Korn den hochgespannten Schooß,
Das weite Sämanns-Tuch und in gefurchte Triften
Wirft er mit stäter Hand der künft’gen Ernte Loos.
Und kehrt er heim zu seinem niedern Hause,
Dann letzt er sich am kargen Mahl
Mehr, als vordem im kerzenhellen Saal
Am prächt’gen leckerhaften Schmause.
Doch fühlt er das Bedürfniß nun
Nach langer Sorg’ und schwerem Thun
Beim Schein der Thätigkeit, dem spielendem Vergnügen,
Zum neuen Tagewerk sich wieder auszuruhn,
So läßt er dort am See, wo Schnepf’ und wildes Huhn
Und Ent’ und Drossel sich in heitern Lüften wiegen,
Von seinem Arm den guten Falken fliegen,
Der froh die Federn sträubt und sich gen Himmel schwingt,
Und, wenn er wie ein Blitz aus hoher Luft geschossen
Und seinen Fang mit krummen Klau’n umschlossen,
Gelehrt und treu, dem Herrn die Beute bringt.
Drum ist der gute Falk, der sich getreuer
Als all sein Glück, als jeder Freund bewies,
Der, als ihn alle Welt verließ,
Zu folgen sich erbot, Anselmen lieb und theuer,
Und nicht verkauft’ er ihn, und wöge man im Kauf
Mit blankem Gold den klugen Vogel auf.
Drei Jahre lebt’ Anselm in solcher Weise
Und immer schwebt noch Isabellens Bild
So würdig ernst, so himmlisch mild
Wie einst, vor seiner Stirn; doch wenn zu ihrem Preise
Sein Herz sich hebt, so schlägt es nicht mehr wild.
Wie wenn der Tod in’s himmlische Gefild
Ein theures Haupt entrückt aus unserm trauten Kreise,
Wie man voll Sehnsucht noch, doch still und ungekränkt
Nach Jahren Herz und Blick in seinem Bild versenkt,
Und gläubig dem vertraut, was leise
Die Hoffnung spricht, und froh ans Wiedersehen denkt,
So denkt er ihrer noch, die sich sein Herz erkoren,
Und leise Hoffnung spricht, sie sey ihm unverloren.
Indessen starb in Isabellens Arm
Ihr Ehgemahl, an dem sie treu und warm
Gehangen hatt’ und den sie tief betrauert;
Doch als sie nun geraume Zeit,
Nach edler Wittwen Art, in tiefer Einsamkeit
Dem Schmerz nur lebend, ausgedauert,
Da kommt ein Lenz, so schön, daß er das tiefste Leid
Mit Regung junger Lust durchschauert,
Und ruft die schöne Frau aufs Land
Mit ihrem Sohn, dem einz’gen Pfand
Beglückter Zärtlichkeit, das sie als höchsten Seegen
Des Himmels liebt und pflegt mit treuer Mutterhand.
Und sie bezieht ein Gut, kaum eine Stund’ entlegen
Von jenem kleinen Haus, wo sich Anselm befand.
Wie schildert’ ich, was seine Brust empfand,
Da er’s vernahm; wie oft er auf dem Hügel,
Nach ihrem schmucken Schloß hinüberblickend, stand,
Und welchen Zauberreiz ihm jedes Lüftchens Flügel
Von dort herübertrug? – Doch nie entwand
Die Leidenschaft ihm mehr des Willens Zügel.
Wie glücklich macht’ ihn doch ein Wort, ein ein’zger Blick,
Doch hielt er sich in ehrfurchtsvoller Ferne
Und überließ das Weitre dem Geschick.
Allein wie der Magnet sich stets nach seinem Sterne
Erzitternd kehrt, so kehrt Anselmens Fuß,
Nicht weil er will, nein, weil er muß,
Sich stets den Wegen zu, die nach dem Schlosse leiten.
Dort nahe liegt ein Stück von seinem Feld
Und immer findet er dort etwas unbestellt,
Auch meint’ er, daß nach jenen Seiten,
Mehr als bisher am See, sich das Geflügel hält,
Und immer sieht er sich zur Arbeit wie zum Jagen
Auf dieses Feld, er weiß nicht wie, verschlagen.
In kurzer Zeit nun fügt’ es sich,
Daß Isabellens Knab’, etwa von sieben Jahren,
Der mit dem Lehrer oft die Gegend weit durchstrich,
Und der an jedem Zug, an Augen und an Haaren
Der schönen Mutter völlig glich,
Von weitem sah, wie lustig in die Höhen
Sich von Anselmens Arm der gute Falke schwang,
Dann niederstürzt’ und seinen Fang
Dem Jäger übergab – daher dies nah zu sehen
Neugierig her der muntre Kleine sprang.
Ihn sieht Anselm und ist erstaunt, betroffen,
Er sieht – wer sagt, ob hochentzückt, ob bang? –
Im heitern Angesicht den ganzen Himmel offen;
Fühlt all sein Fürchten, all sein Hoffen
Und alle Zärtlichkeit aufs neu’ in sich erweckt,
Wie er der Mutter Bild im holden Kind entdeckt.
Er spricht den Kleinen an, nicht ohne leises Beben,
Ja schüchtern, ehrerbietig fast,
Und säumt dann nicht, je mehr und mehr gefaßt,
Ihm, wie er wünscht, Bescheid zu geben;
Zeigt ihm den Falken hin, und läßt ihn sich erheben,
Und thut was er vermag, um das geliebte Kind
Durch Lieb’ und heitres Spiel bestmöglichst zu vergnügen,
So daß er ganz des Knaben Herz gewinnt.
Dem kann fortan kein andres Spiel genügen;
Anselm – Anselmens Falk – das ist sein drittes Wort,
Und immer geht’s auf seinen kleinen Zügen
Nur nach Anselmens Felde fort;
Und dieser ist so pünktlich dort,
Als ob ihn selber Isabelle
Zu süßern Spielen hinbestellte.
Frau Isabelle hört, im Innersten gerührt,
Vom Knaben immerfort Anselmens Namen nennen,
Denkt seines Wahns und Mißgeschicks, und spürt,
Kaum weiß sie selbst warum, die schönen Wangen brennen.
Beleidigt fühlt sie sich, und muß es sich bekennen,
Daß er so nah bei ihr ein einsam Leben führt,
Auch ohne sich nur einmal ihr zu zeigen.
Wahr ist’s, daß Achtung zwar dem edlen Stolz gebührt,
Doch muß er sich nicht gar zu hoch versteigen.
Er könnte ja von dem Vergangnen schweigen,
Doch was verhindert’ ihn, was Nachbar-Höflichkeit,
Sonst wackern Landbewohnern eigen,
Von ihm erheischt, ihr jetzo zu erzeigen?
Wie Spott beinah’ erscheint ihr alle Freundlichkeit,
Die er an ihrer Statt nun ihrem Knaben weiht.
Doch bald bereitet ihr das Schicksal herbern Kummer –
Der theure Knabe sinkt aufs Krankenlager hin;
Und Sie, mit treuem Muttersinn,
Verläßt ihn nie am Tag’ und opfert ihm den Schlummer
In sorgenvoller Nacht, belauscht des Odems Wehn,
Thut rastlos was sie kann, des Fiebers Gluth zu mindern,
Sucht jeden Wunsch ihm abzusehn,
Und kann doch nie das Uebel lindern,
Das immer wächst, je mehr sie sich bemüht;
Und nichts vermag ihn mehr zum Lächeln aufzuregen;
Doch scheint er einen Wunsch zu hegen;
Anselm – Anselmens Falk – so ruft er, wenn er glüht,
So ächzt er, wenn der Frost des Fiebers ihn durchschauert,
Anselm – Anselmens Falk – dies Wort nur spricht sein Mund,
Und als nun manchen Tag der Zustand so gedauert,
Und sie als rettungslos den Liebling schon betrauert,
Da thut er einst den Wunsch der Mutter deutlich kund:
Anselm – Anselmens Falk – dies macht mich nur gesund.
Sie hört es an und fühlt ein tiefes Bangen
Bei des geliebten Kindes Noth,
Und fühlt zugleich auf ihren Wangen,
Von anderm Schmerz erzeugt, ein glühend Purpurroth.
Von ihm, der ehrfurchtsvoll ihr Herz und Leben bot,
Und nie dafür ein Wort, nie einen Blick empfangen,
Der Hab’ und Gut dem zärtlichen Verlangen
Vergebens opferte, der dann, hierher geflohn,
Ihr jetzt so nah, nach dem ersehnten Lohn,
Vordem von ihm ersehnt, nicht einen Schritt gegangen,
Und der vielleicht, so schwer gekränkt,
Mit Haß und Abscheu nur des alten Wahnes denkt,
Was soll sie jetzt von ihm verlangen?
Ihn selbst, der sie vielleicht verschmäht? wie litte
Ein solch Gesuch wohl edler Frauen Sitte?
Vielleicht den Falken nur? Allein ihr ist bewußt:
Der Falk ist des Verarmten Lust,
Die einz’ge Lust. – Was giebt zu solcher Bitte
Ihr wohl ein Recht? Der Gram, und der Verlust,
Den er ertrug für unbelohnte Triebe?
So wogt in Zweifeln ihre Brust,
Doch gilt’s ein theures Kind, wo bliebe
Ein Zweifel unbesiegt von treuer Mutterliebe?
In Gottes Namen denn beschließt sie hinzugehn –
Wen könnte sie mit solchem Auftrag schicken? –
Er wird der Mutter Angst erblicken,
Wird hören einer Mutter Flehn,
Und was sie will ihr sicher zugestehn –
So nimmt sie zum Geleit mit sich die treue Zofe
Und geht am Morgen hin nach jenem Meyerhofe.
Anselm indeß, der lang den Knaben nicht gesehn,
Und einen Mann vom nahen Schloß gesprochen,
Hat jüngst erforscht, was ihm geschehn,
Und fühlt das Herz vor Angst um seinen Liebling pochen.
Wohl hatt’ er sich mit festem Sinn versprochen,
Dem, was nach jenem Schloß ihn zieht, zu widerstehn,
Doch fühlt er den Entschluß und seinen Stolz gebrochen,
Und fühlt, er muß dahin, das liebe Kind zu sehn.
Schon ist er vor der Thür, bereit, um fortzugehn,
Da sieht er durch das Thal daher zwei Frauen kommen,
Auf jenem Pfad der längs dem Flusse läuft;
Und ob er gleich, wie er sie wahrgenommen,
Sie nicht erkennt und nicht begreift,
Was sie des Weges führt, doch fühlt er sich beklommen,
Und immer mehr, je mehr sie nahn.
Was sagt ihm die Gestalt? die Haltung? Ist’s ein Wahn?
Das schöne Bild, das noch im vollen Leben
In seinem Busen glänzt – er sieht’s auf jener Bahn
Vor seinem Blicke klar, und sieht’s zu sich heran
Jetzt näher, immer näher schweben,
Und fühlt ein wonnevoll und schauerliches Beben,
Als ob in stiller Mitternacht
Der, deß er liebevoll und sehnend just gedacht,
Ein abgeschiedner Freund an seine Lagerstäte
Umströmt von Himmelsglanze träte.
Auch sie, die edle Frau, die, mit sich selbst vertraut
Und mit der Welt, auf allen ihren Wegen
Gemessen sicher geht, fühlt, wie sie ihn erschaut,
Sich wunderbar erregt, befangen und verlegen.
Doch schleunig ist der Geist großherz’ger Frau’n gefaßt,
Und ohne Scheu, wie ohne Hast
Tritt sie mit mildem Ernst dem Staunenden entgegen
Und spricht: Anselm, mir ist nicht unbekannt,
Was du für mich gethan, was du für mich gelitten
Und wie du dich, verarmt, aus meinem Blick verbannt,
Auch ohne daß ein Wort nur deiner Zung’ entglitten,
Und ohne daß ich Dank und Lohn dir zugewandt;
Doch komm’ ich heut, um mehr noch dich zu bitten,
Denn wiss’, ich bin von schwerem Leid bedrängt.
Doch eh’ ich reden kann – noch ist mein Herz beengt,
Auch siehst du mich vom schnellen Laufe keichen –
Sey erst so gut, mir einen Bissen Brot
Und einen Becher Milch zu reichen.
Anselm vernimmt’s, die Wangen glühend roth,
Und sammelt sich und spricht: So überschütte
Der Himmel dich mit Seegen und mit Heil,
Wie mir und meiner kleinen Hütte
Durch deine Gegenwart das höchste Glück zu Theil
Geworden ist – doch willst du sagen,
Daß ich um deinethalb nur Schmerz und Leid ertragen,
So hast du, edle Frau, geirrt.
Dir dank’ ich was mir je von Gutem ward und wird,
Dir dank’ ich ja mein bestes Streben;
Dir dank’ ich, daß in diesem armen Leben,
Von keiner Lockung angekirrt,
Mein Geist sich nie zum Niedern hinverirrt;
Ihm gab dein Bild die Kraft, sich himmelwärts zu heben,
Drum fordre, was du willst, mein Theuerstes, mein Leben,
Und sey gewiß, es soll beim ersten Winke dein,
Und hochbeglückt mein Tod in deinem Dienste seyn.
Er führt sie nun in seinen Garten,
Und bittet sie im Buchenschatten dort,
Bis daß das Frühstück fertig sey, zu warten.
Er selber eilt, wie halb im Traume fort,
Um Küch’ und Haus bestmöglichst zu bestellen.
Ihm schiene ja für Isabellen
Das köstlichste nicht gut genug – und nun
Was kann er hier in seiner Armuth thun?
Er sinnt und sinnt, und sucht an allen Stellen,
Und findet nichts im ganzen Haus
Ihr vorzusetzen würdig, aus.
Er war nicht auf die Jagd gezogen,
Seitdem der Knabe sich dazu nicht eingestellt.
Die Tauben sind ins Weite fortgeflogen,
Die Enten fern im See, die Hühner fern im Feld.
Da sitzt auf seiner Stang’ im niedrig kleinen Zimmer
Wie einst, da er zum letztenmal
Durch Prunkgemächer ging, im ausgeräumten Saal
Der gute Falk, und schreit ihm zu, wie immer,
Wenn er den Herrn bemerkt, als sehn’ er sich dem Strahl
Der Sonne zu von seinem Arm zu fliegen,
Und sich in heitrer Luft zu wiegen.
Da fällt Anselmen ein, ob dieser wohl zum Mahl
Der Dame passend sey? Er sinnt und spricht am Ende:
Von allem, was ich hab’, ist mir
Nichts werther als dies edle Thier;
Doch weil dem also ist, verwende
Ich dies, mein Theuerstes, für sie.
Komm denn, mein treuer Falk, und ende
Als Glücklicher – du stirbst für Sie.
Er ruft den Diener her und heißt ihm, daß er schlachten
Das gute Thier und schleunig braten soll,
Und kehrt sich ab, von stiller Wehmuth voll,
Um nicht den Tod des Vogels zu betrachten;
Eilt dann in’s Freie fort zum Flußgestad’ und pflückt
Bei muntrer Wellen Liebes-Kosen
Vergißmeinnicht, Lavendel, wilde Rosen,
Und kehrt so schnell er kann, zum Haus zurück, und schmückt
Sein Stübchen bestens aus; und rückt
Den Tisch zum Mahl zurecht, und sucht das feinste Linnen,
Das, wie verloren, sich im groben Schrein versteckt,
Als Trümmer beßrer Zeit, und deckt
Geschäftig selbst es auf; – dann, als mit allem Sinnen
Er nichts mehr finden kann zu würdigerm Emfpang
So edler Frau, da kehrt er, freudig bang,
Zum Platz zurück, wo ihn im Buchenschatten
Die beiden Frau’n mit Ungeduld
Schon längst zurück erwartet hatten,
Und bittet sie mit Demuth um die Huld,
Sich in sein Stübchen zu bequemen
Und dort ein Frühstück einzunehmen.
Frau Isabelle winkt – die Zofe bleibt zurück;
Und Sie, mit zarter Scheu von ihm dahin geleitet,
Die Hand gestützt von seinem Arme, schreitet
Mit ihm dem Hause zu – o Glück,
Das ihm kein Reichthum gab, und Armuth jetzt bereitet! –
Sie sitzen nun am Tisch sich gegenüber dort,
Der gute Falk wird aufgetragen.
Die Herzen sind so voll, und kaum ein armes Wort
Wagt er zu ihr und sie zu ihm zu sagen.
Doch treibt die Sorge sie um ihren Knaben fort,
Und so beschließt sie denn die Bitte frei zu wagen,
Erzählt, wie Fiebergluth ihr liebes Kind verzehrt,
Und wie er immerdar den Falken nur begehrt,
Und wie er ihr entdeckt, er werde nur gesunden,
Wenn man ihm diesen Wunsch gewährt.
So bitt’ ich dich denn unumwunden,
Spricht sie zuletzt: Tritt mir den Falken ab,
Sonst sinkt mein höchstes Gut, dein Liebling auch, in’s Grab.
Wie Einer, der dem Freund, von Räubern angefallen,
Zu helfen, das Geschoß klug zielend angesetzt,
Und nicht des Ziels verfehlt, wenn im Zurückeprallen,
Verhängnißvoll das Blei den Freund und ihn verletzt:
So zeigt sich jetzt Anselm verworren und erschrocken,
Fühlt in der Brust den Odem stocken,
Und sitzt noch schweigend dort und zittert und erbleicht.
Schon fürchtet sie, daß sie vielleicht
In diesem Falken eine Gabe
Zu hohen Werths von ihm gefordert habe,
Und daß, wie mancher Herr, er das Versprechen leicht,
Doch schwieriger das Halten finde:
Da steht er hastig auf, geht wankend, doch geschwinde
Zur Thür hinaus, und kehrt im Augenblick
Mit seines Falken Kopf und beiden Klau’n zurück,
Und tritt zu ihr und spricht mit heißen Zähren:
O wie verfolgt, wie höhnt mich mein Geschick!
Euch meine Liebe zu bewähren,
Hab’ ich vordem im blinden Wahn,
Euch zum Verdrusse nur, mein ganzes Gut verthan.
Nun kommt ihr her, den Falken zu begehren,
Und ich unseel’ger Thor, ich bot, um euch zu ehren,
Weil er das Liebste mir von meiner Habe war,
Auf dieser Schüssel ihn euch jetzt als Frühstück dar.
Seht Kopf und Klauen hier, des Irrthums laute Zeugen. –
Er spricht’s, und wie so tief ihn Reu’ und Kummer beugen,
Unwiderstehlich sagt’s Gestalt und Angesicht,
Das deutlicher als alle Worte spricht.
Nichts braucht es mehr, um sie zu überzeugen,
Wie’s ihm im Herzen ist; und unaufhaltsam bricht
Aus ihrem Aug’ hervor ein heller Strom von Zähren,
Von Zähren, die der Gram der Mutter nicht
Allein erzeugt, die auch im schönern Licht
Der Freud’ und Rührung sich und Zärtlichkeit verklären.
Und durch die Thränen blickt sie mild auf ihn und spricht:
Anselm, so heisch’ ich denn, was eher zu begehren
Ich nicht gewagt: – mein Kind verlangt nach dir.
Wohlan, so komm denn selbst mit mir,
Dem Kranken Freud’ und Trost zu geben.
Und hier gelob’ ich dir’s vor Gott, mein Hab’ und Gut
Zum Dank für deinen Edelmuth,
Ja, all mein Seyn, mein ganzes Leben,
Kann solch ein Dank dir wünschenwürdig seyn,
Als kleinen Lohn für treuen Dienst zu weihn.
Wie wenn aus dunkler Wolken Schleier,
Der lange Zeit die Königin verhüllt,
Die Sonn’ im höchsten Glanz, in hocherhabner Feier,
Urplötzlich tritt, und alles lusterfüllt
Ihr laut entgegenjauchzt, und Feld und Wald und Weiher
Wie auf ein Zauberwort in Purpurflammen glühn,
Und, von dem Regenguß befeuchtet, sich das Grün
In Lust verjüngt, die Blumen schöner blühn,
Indeß auf Wolkenschwarz ein hoher Friedensbogen
Sich strahlend um die Welt gezogen:
So sieht Anselm, kaum seiner sich bewußt
Nach langem Leid und sehnlichem Verlangen,
Urplötzlich bei dem Wort in trübumwölkter Brust,
Wie er es nie erträumt, die Hoffnung und die Lust
In goldnem Schimmer aufgegangen,
Und kennt im Zauberspiel der Farben rings umher
Nicht die verjüngte Welt und nicht sich selber mehr.
Sie gehn dahin in vielberedtem Schweigen,
Und schüchtern blickt er nur auf sie, und sie auf ihn;
Doch als vor ihrem Blick noch kaum das Schloß erschien,
Da scheint ihr ganzer Sinn nur dorthin sich zu neigen,
Und Lieb’ und Angst sie mächtig fortzuziehn.
Sie fliegt dahin, die Stieg’ empor, zum Zimmer,
Wo krank ihr Knabe liegt, und hört
Schon vor der Thür, beängstet und verstört,
Des Armen Klagelaut und stöhnendes Gewimmer.
Schnell tritt sie und mit ihr tritt auch Anselm hinein.
Nach beiden kehrt das Kind die halberloschnen Augen,
Und wie er ihn ersieht, da ist auf ihn allein
Sein Blick gekehrt, um neuen muntern Schein
Aus seinem Anblick einzusaugen.
Der Klagelaut verstummt, ein Lächeln überschwebt
Das leidende Gesicht; er streckt, wie neu belebt,
Mit froher Hast nach ihm die kleinen bleichen Hände,
Als ob er das, wonach er heiß gestrebt,
Nun unverhofft mit großer Wonne fände;
Er scheint die Mutter selbst, die vor Entzücken bebt,
Und weint und lacht, nicht einmal zu bemerken
Und an Anselmens Blick sich wunderbar zu stärken;
Auch bleibt zum ersten Mal das Fieber völlig aus.
Wie nun der Tag sich neigt, da will Anselm nach Haus,
Indem er’s also schicklich findet.
Allein der Knabe weint, umwindet
Mit seinen Armen ihn, und läßt ihn nicht hinaus,
Und spricht zur Mutter dann: Du magst dich niederlegen,
Mein Mütterchen, da du so manche Nacht
Dich müde schon an meinem Bett gewacht,
Und sicher wird Anselm mich einmal freundlich pflegen.
Und so geschieht’s, und bald, durch die geheime Macht,
Die in Anselmen wohnt, sinkt auf die Augenlieder
Des Knaben, lang entbehrt, ein süßer Schlummer nieder;
Und als der Morgen nun im goldnen Osten lacht,
Kehrt auch Frau Isabelle wieder,
Die selbst in süßem Traum die Nacht
Nur halb durchschlafen, halb durchwacht,
Auf ihren Wangen junge Rosen,
Und sieht den Knaben froh mit seinem Freunde kosen,
Uns sieht in seinem Aug’ erwachte Lebens-Gluth,
Und zartes blasses Roth durchschimmernd seine Wangen,
Und sieht im ganzen Thun erneuten heitern Muth
Und von der Krankheit fast die letzte Spur vergangen.
Sie sieht’s entzückt, gerührt, und da noch manchen Tag
Anselm genöthigt wird sich dorten aufzuhalten,
Weil nimmer ihn der Knab’ entlassen mag,
Bemerkt sie täglich mehr sein edles stilles Walten,
Und sieht den biedern Sinn, das liebevolle Herz
Im ernsten Thun so wie im heitern Scherz
Sich jeden Tag erfreulicher entfalten;
Sieht, wie sein Blick auf ihr mit Himmelswonne ruht,
Und fühlt, wie Er, der Liebe reinste Gluth
Die Brust durchglühn, die schönen Wangen färben.
Doch zeigt er auch sein Herz in allem, was er thut,
Wie darf er, arm und stolz, um die Beglückte werben?
Wohl eher hätt’ er Kraft und Muth,
Für das geliebte Weib zu sterben. –
So lebt, indeß die Gluth tagtäglich höher steigt,
Das edle Paar, und liebt und schweigt.
Doch bald, da man zum ersten Male
Das neu belebte Kind dem goldnen Sonnenstrahle,
Der frischen Balsamluft der Flur entgegenführt,
Und Er und Sie die Sorg’ und Wonne theilen,
Und nun den Lebenshauch der frohe Knabe spürt,
Und nicht sich halten läßt, durch’s Grün davon zu eilen,
Und Mutterlust und Dank der Liebe Gluthen schürt,
Faßt sie Anselmens Hand und winkt ihm, zu verweilen,
Sieht offen ihm in’s Aug’ und spricht gerührt:
Anselm, vermag dein Mund denn nimmer auszusprechen,
Was doch dein Blick mir nicht verbergen kann,
So muß wohl Ich das Schweigen brechen.
Vernimm denn, daß dein Herz mein ganzes Herz gewann.
Ja, was du längst für mich empfandst, empfinde
Ich jetzt für dich. – Drum sey fortan
Ein treuer Vater diesem Kinde,
Und mir ein vielgeliebter Mann.
Hier öffnen sich die schönen Arme,
Und Er, zum Gott entzückt nach langem schwerem Harme,
Sinkt an die hochbewegte Brust.
Indessen hat mit Knabenlist und Lust
Das Kind gelauscht, springt auf, umschlingt sie beide
Und jauchzt im Wonnerausch, kaum seiner sich bewußt. –
Hier schweig’, o mein Gesang, du gnügtest wohl dem Leide,
Doch gnügst du nicht der höchsten Lust.