Das Lied von der Trennung

Die Engel Gottes weinen,
Wo Liebende sich trennen,
Wie werd' ich leben können,
O Mädchen, ohne dich?
Ein Fremdling allen Freuden,
Leb' ich nach unserm Scheiden!
Und du? . . Vielleicht auf ewig
Vergißt Luisa mich!

Ich kann sie nicht vergessen;
Mich fern vorüber fliegen
Wird jegliches Vergnügen
Ach! sonst so gern um mich!
Für dieses Herz voll Trauer
Ist keine Lust von Dauer!
Und du? . . Vielleicht auf ewig
Vergißt Luisa mich!

Im Wachen und im Traume
Werd' ich Luisa nennen;
Den Namen zu bekennen,
Sei Gottesdienst für mich!
Ihn nennen und ihn loben
Werd ich vor Gott noch droben.
Und du? . . Vielleicht auf ewig
Vergißt Luisa mich!

Ich kann sie nicht vergessen;
In's Herz mit Feuerflammen
Malt' ich dein Bild zusammen,
Anbetend dich! nur dich!
Dies Eigenthum bestreiten
Soll keine Macht der Zeiten.
Und du? . . Vielleicht auf ewig
Vergißt Luisa mich!

Ich kann sie nicht vergessen;
Der Aufgang jeder Sonne
Erinnert an die Wonne
Der schönsten Augen mich;
Aus ihren kleinsten Blicken
Kam himmlisches Entzücken.
Und du? - - Vielleicht auf ewig
Vergißt Luisa mich!

Ich kann sie nicht vergessen;
Es tönt wie Harfensaiten,
Gespielt von Himmelsbräuten,
Noch ihr Gesang um mich! -
Hallt ewig, holde Lieder,
Hallt mir im Herzen wieder! -
Und du? - - Vielleicht auf ewig
Vergißt Luisa mich!

Ich kann sie nicht vergessen;
An allen, allen Enden
Verfolgt von ihren Händen
Ein Druck der Liebe mich;
Ich zittre, sie zu fassen,
Und - finde mich verlassen.
Und du? - - Vielleicht auf ewig
Vergißt Luisa mich!

Ich kann sie nicht vergessen;
Die hingeschied'nen Seelen
Der Küsse, nicht zu zählen,
Umathmen alle mich.
Ihr Blüthenfinsternisse
Des Hains! - ihr ersten Küsse! - -
Und du? - - Vielleicht auf ewig
Vergißt Luisa mich!

Ich kann sie nicht vergessen;
Aufzählen alle Pfänder
Getreuer Liebe, Bänder
Und Lockenhaar will ich.
"Sie, sie hat das getragen!"
Will ich mit Schluchzen sagen.
Und du? - - Vielleicht auf ewig
Vergißt Luisa mich!

Ich kann sie nicht vergessen
Die Brief' aus schönern Tagen,
Sie liegen aufgeschlagen,
Ein Himmelsbuch! um mich.
Von Thränen und von Küssen
Hat mancher leiden müssen!
Und du? - - Vielleicht auf ewig
Vergißt Luisa mich!

Ein Zufall raubt, was Jahre
Voll Lieb' an uns verschwenden;
Wie eine Hand, so wenden
Die besten Herzen sich.
Wenn neue Huldigungen
Mein Bild bei Ihr verdrungen:
O Gott! vielleicht auf ewig
Vergißt Luisa mich! -

Ach! denk' an unser Scheiden!
Dies Blatt, von dir geschrieben:
"Du wollst mich ewig lieben!"
Dies richte mich und dich!
Dies Zeugniß ernster Sache
Trag' ich, ein Geist der Rache,
Noch vor dein Todesbette,
Vergißt Luisa mich. -

Doch nein! - Wenn sie vergäße,
Vergäße den Getreuen! -
Luisa! mit Verzeihen
Rächt edle Liebe sich.
Wenn Untreu' uns geschieden,
So leb', und leb' in Frieden!
Ich sei des Schicksals Opfer;
Der Trauernde sei ich!

Ja, leb' und stirb in Frieden!
Auf deinem Sterbekissen
Erinn're das Gewissen
Mit keinem Laut an mich!
Mein Geist soll um dich weinen;
Soll aber nicht erscheinen.
Ein Geist, den du einst liebtest,
Sei Keinem fürchterlich!
(Band 2, S. 276-280)
_____

Collection: 
1826

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