Das letzte Glas

Nun bring' ich Dir das letzte Glas,
Den ganzen vollen Schmerzensbecher!
Zum Rande schwillt das dunkle Naß,
Und in den Purpur weint der Zecher.
Das Auge strömt, nichts macht es trocken,
Die Zeit verrinnt, nichts kann sie fesseln, -
Jetzt fällt die Rose aus den Locken,
Und nackten Fußes geht's durch Nesseln.

O Du mein Liebling, Du mein Stolz,
Stets ist's ein Räthsel mir geblieben,
Daß so für Dich mein Busen schmolz,
Daß ich so heiß Dich mußte lieben.
Wohl hat mein Hochmuth mich gescholten,
Daß meine Männlichkeit zerstiebe, -
Was aber hat mir das gegolten?
Kein Hochmuth tödtet solche Liebe.

Und jetzt das letzte, letzte Glas!
Wer mag es fassen, wer es denken?
O wäre Lethe doch sein Naß,
Um meine Liebe d'rein zu senken.
Doch fort! Klafft tödtend auch die Wunde,
Stolz wollen wir wie Römer sterben;
Sei letztes Glas geleert zum Grunde,
Dann brich entzwei in tausend Scherben.

Nun bist du leer. Dich soll forthin
Gefüllt kein Schenke wieder bringen, -
Da schmettr' ich dich zur Erde hin,
Hei, wie die Stücke klirrend springen!
An dieses Abschieds Todesklippe
So Glas wie Herz in Scherben bricht es;
Lebwohl, haucht bebend noch die Lippe, -
Mir gellt's wie Stimme des Gerichtes!

Collection: 
1860

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