Das letzte Geschenk

Warum er es tat, das war ihm nicht klar,
Ihm war nicht zum Denken zumute;
Er wußte nur, daß sie gestorben war
Und daß sie im Sarge ruhte.

Da trug er zwei Tage sein großes Weh
In die Wälder, als müßt' er was suchen,
Und fand zwei Federchen, weiß wie Schnee,
Bei des Wildsees blutdunklen Buchen.

Zwei weiße Federchen, Flügelflaum
Aus eines Schwanes Gefieder,
Die nahm er und küßte sie, wie im Traum,
Und legt sie im Sarge nieder.

Er hat sich dabei nichts Rechtes gedacht,
Er wollt' ihr zum Abschied was bringen;
Da hat er ihr die zwei Federn gebracht
Für ihre Engelsschwingen ... 

aus: Hugo Salus Die Blumenschale Gedichte
Albert Langen Verlag für Litteratur und Kunst
München 1908

Collection: 
1900

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