Aus: Lieder von der Riviera

III.
Carpe diem!
Der Rose gleich, die noch im Sammt
Der Knospe gestern lag verschlossen
Und heut' schon hoch emporgeflammt,
Ist uns die Liebe aufgeschossen.

Heut' blüht sie noch; drum nimm und gib!
Schon morgen kann ihr Duft entschweben;
Dann wird dein Herzblut selbst, mein Lieb,
Die welkende nicht mehr beleben!

IV.
Mittagsruhe
Mit schattigem Kastanienwalde
Senkt sich vom Apennin die Schlucht;
Oliven schmücken reich die Halde,
Limonen reifen an der Bucht;
Ein dunkles Kloster ragt zur Seite
Des Wegs, verhüllt mit Blüthenschnee -
Vor uns in ungemess'ner Weite,
Ein glatter Spiegel, ruht die See.

Es stört die Welt mit keiner Kunde
Dies reizende Begrabensein;
Wir zählen weder Tag noch Stunde
Und wie im Traum nur fällt mir ein,
Daß über'm Berg dort mit den Pinien
Die Heimat liegt, an der ich hieng,
Eh' ich im Frieden dieser Vignen
In deinem Arm verloren gieng.

V.
Katechetisches
"O du glaubst wohl nicht an Heilige!
Denn auf deiner Stirn, der bleichen,
Zuckt ein Zug hier, wie ein dunkel,
Gottesläugnend Fragezeichen.

Glaubst wohl auch nicht, daß der Ablaß
Menschen rein von Sünden wasche,
Zweifelst gar wohl am Catino
Und des Täufers heil'ger Asche?"

""Laß, mein süßes Kind, die Heiligen
Und des Glaubens Hieroglyphe,
Laß mir die von deutschen Dichtern
Längst behandelten Motive!

Den Catino und des Täufers
Asche - laß mir all' den Plunder!
Doch ich bitte dich, erkläre
Lieber mir ein größer Wunder:

Wie ich, arm, verkannt und traurig
Als ein Bettler kam aus Norden,
Und nun plötzlich reich und glücklich
Wie ein König bin geworden;

Wie ich, der an tausend Wunden
Litt, nun plötzlich neugeboren
Wieder mich durch dich gefunden,
Als ich selbst mich gab verloren.""

VII.
Am Strand
Der Hauch, der die schäumende
Meerfluth erregt,
O wie er das träumende
Herz mir bewegt!
Es wälzen sich Hügel
Von Wogen daher;
O wüchsen mir Flügel,
Ich flög' über Meer!

Einst hört' ich durch tosendes
Branden der Fluth
Zuerst dein liebkosendes:
"Bist du mir gut?"
Und denk' ich der Zeiten,
So fühl' ich gerührt
Die klagendsten Saiten
Der Seele berührt.

Schon glüh'n, über'm dunkelnden
Ufer entfacht,
Hoch oben die funkelnden
Leuchten der Nacht;
Dort strahlt im Gewimmel
Der glänzendste Stern ...
Doch du und der Himmel
Wie seid ihr so fern!

VIII.
Ave Maria
Mit ihren Wonneschauern naht sie sacht,
Auf leichten Sohlen wandelt sie einher,
Die sanfte Zauberkönigin, die Nacht,
Und ihres Sternenmantels stille Pracht
Ausspannt sie langsam über's Mittelmeer. -
Vom Kirchlein, einsam auf dem Fels am Strand,
Weht leises Läuten über Meer und Land;
Sonst Alles still; - nur durch das Schilf spielt lind
Der Abendwind.
Ave Maria!

Ich aber steure läßig meinen Kahn;
Des Weltengeistes Odem lausch' ich stumm,
Und meine Seele taucht, ein weißer Schwan,
Sich in der Sehnsucht stillen Ozean;
Die Liebe sei mein Evangelium ...
Im Norden fern im engen Kämmerlein
Weint jetzt ein blondes Kind und denket mein. -
Die jedes Glück, die mir den Frieden lieh
Und Poesie,
O sei gegrüßt, Marie!

IX.
Serenade
Schweigen rings; im Garten der Villa plaudert
Nur der Springquell; zwischen verschlaf'nen Büschen
Lauschen Marmorgötter, und auf dem Meere
Zittert das Mondlicht.

Reiz und Anmuth theilen allein dein heimlich
Lager jetzt und über den blendend weißen
Nacken stromfallähnlich ergießt dein dunkel
Fluthendes Haar sich.

Schlaf umfängt dein zauberverbreitend Antlitz.
Deiner Glieder griechisch geformten Bau nun,
Und in's Herz dir träufelt der holde Traumgott
Sanftes Vergessen.

X.
Sei getrost!
Späte Reue schreckt dich vielleicht vom Pfühl auf,
Mein gedenkend bebt dir das Herz und über
Deiner strengen, edelgewölbten Stirne
Lagert ein Schatten.

Sei getrost! kein kosend vertraulich Wort soll
Je verrathen, was in verschwieg'nen Nächten
Deine stolzen Lippen mir unter süßem
Sträuben gestammelt.

Nur ein Wink und rasch nach entleg'nen Ländern
Trägt das Meer mich; Perlen und Räthsel birgt es
Tief im Schooß; doch tiefer im Herzen hüt' ich
Unser Geheimniß.

XI.
Des Meeres und der Liebe Wellen
Die Frühlingsstürme pflügen
Und furchen durch's Meer sich Pfad;
In großen Athemzügen
Brandet die Fluth an's Gestad'.

Die Planken sind ausgehoben,
Die Pfähle sind weggerafft;
Wie schön ist das Meer im Toben
Entfesselte Leidenschaft!

So pocht an meinem Herzen
Dein Busen wellenbewegt ...
Es muß ein starkes Herz sein,
Das so viel Glück erträgt.

XIII.
Ligurisches Volkslied
Mein Liebster keck ist ein Matros';
Er kämpft mit Wind und Wasserhos'
Und knüpft, was uns're Herzen band,
Gleich seinem Schiffstau los.

Ich zöge gern mit Herz und Haus
Das flüchtige Schiff zurück zum Strand;
Doch meine Sehnsucht treibt es nur;
Es flieht schon weit vom Land.

Mein Liebster spannt das Segel quer;
Wie rauscht sein Kiel durch's wilde Meer!
Ich weiß nicht, bringt ihn wiederum
Ein Guter Wind mir her.

Was baut' ich auch, ein thöricht Kind,
Auf Häuser, die entführt der Wind!
Nun wein' ich mir die Wangen blaß
Und meine Augen blind.

Mein Liebster steuert mittagwärts,
Die Fluth empfindet nicht den Schmerz;
Er führt so kräft'gen Ruderschlag
Und jeder trifft mein Herz.

Schlag' er das Meer nur immerhin,
Das treulos ist und falsch von Sinn!
Doch warum schlägt er auch dies Herz,
Das nichts geliebt, als ihn!

XIV.
Erinnerung
Es flüstert in den Cypressen
Am verfallenen Gartenthor;
Wie kann, wer einst dich besessen,
Vergessen,
Was er an dir verlor!

Es weht um die Lauben, die düstern,
Wie verhaltene Sehnsucht nach dir ...
Ich höre ein Grüßen und Flüstern,
So lüstern,
Als wohntest du noch hier.

Collection: 
1879

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