Zum Scheiden
Laß mich nicht ohne Abschied scheiden,
Nicht eh' das letzte liebe Wort
Gesprochen wurde von uns beiden;
Noch einmal komm' – und dann zieh fort!
O hab' den Mut der letzten Stunde!
Viel hab' ich dir zu lieb' getan
Und alles geht mit dir zugrunde -
Schau' mich noch einmal sonnig an!
Und dann zieh' fort … mit ruhigen Schritten;
Vergeben ist ja alles längst!
O komm'! – Zwei heiße Augen bitten,
Daß du in Frieden mein gedenkst!
Abendstunde
So taukühl geht der Tag zu Ende,
Die Linde rauscht, davor wir steh'n. -
Gib mir noch einmal deine Hände:
Es ist auf Nimmerwiederseh'n!
Die Sonne schied, die Menschen scheiden.
Wie ist die junge Liebe schön!
Die Linde rauscht! – wir müssen's leiden,
Es ist auf Nimmerwiederseh'n!
Braunäuglein
Braunäuglein, die mein Leben war
Und alle meine Freude,
Bist du geschieden ganz und gar
Und läßt mich ganz dem Leide?
Braunäuglein, wenn die Drossel singt
In kühler Abendstunde,
Da denk' ich wohl: Wie süß erklingt
Der Klang von deinem Munde!
Braunäuglein – o, du weißt es nicht,
Was du mir hast genommen! -
Ich mein' als wie vom Sonnenlicht:
Du müßtest wiederkommen!
Brautlied
Die Boten deines Glückes fliegen -
Fahr' wohl, du schöne, stille Braut!
Ich war der erste, der verschwiegen
In diesen Blumenkelch geschaut.
Doch kein Erglühen, kein Erblassen,
Kein Zucken zeigt dein Augenlid. -
Du wirst es stumm geschehen lassen,
Was jedem Myrtenkranz geschieht.
Du blühst durch deine Jahreszeiten
Und nie wird deine Seele wach -
Doch durch die Flut der Ewigkeiten
Schaut dir mein Auge sehnend nach!
Mainacht
Der Nacht gedenk' ich ew'ge Zeit,
Der Nacht vom ersten Maien:
Da dich der fremde Mann gefreit,
Dich, die ich einst wollt' freien!
Es rauscht der See im Mondenschein
Und lenzgrün sind die Almen;
Doch durch mein Herz rauscht Lust und Pein,
Als sollt's mein Herz zermalmen!
Ich stieg bergan die ganze Nacht,
Durch Blumen, durch Steingerölle …
Ich zog durch die grüne Erde hin,
Ich zog durch Himmel und Hölle!
Herbstgang
Das Laub, das einst in grüner Höh'
Geblüht, es fällt zur Erde;
Ein Fischerhüttlein steht am See,
Das Feuer brennt am Herde.
Und die mir einst so hoch geblüht,
Die Minne, ist vergangen.
Ich starr' ins Feuer, wie das glüht
Vor meinen kalten Wangen.
Ich hab' es einst wohl auch gemeint,
Das Feuer dir zu zünden
Am trauten Herd, mit dir vereint -
Du gabst mein Wort den Winden.
Es rauscht der Wind ums Hüttendach,
Ich starre wie gefangen …
Am Feuer wird die Sehnsucht wach - -
Und alles ist zergangen!
Ohne Trost
Ich weiß ein Herz, das traurig schlägt,
Das nimmer sich in Ruhe legt.
Und zieht die Schwalbe unters Dach,
Sie singt ihm nicht die Freude wach.
Es wogt das Korn, es blüht der Pfad,
Ihm reift die Sonne keine Saat.
Und wenn das Laub im Herbstwind fällt -
Sein Leid besteht, sein Kummer hält.
Dann kommt die tiefe Wintersruh',
Doch deckt der Schnee den Schmerz nicht zu.
Ich weiß ein Herz, das traurig schlägt,
Das nimmer sich in Ruhe legt.
Winterträume
Die Luft ist grau, es streift der Wind
Die Dächer, die verschneiten;
Ich denk' an dich, du holdes Kind,
Und an die alten Zeiten.
Ich schau' hinaus mit leerem Blick,
Am Herde sprüh'n die Funken. -
Mir wird, als läge nur mein Glück
In Winterschlaf versunken.
Als läg' nur tiefer, tiefer Schnee
Auf all' dem süßen Leben,
Als müßt' es nach dem Wintersweh
Noch einmal Frühling geben - -
Derweil wir doch geschieden sind
Für alle, alle Zeiten! - -
Die Luft ist grau, es streift der Wind
Die Dächer, die verschneiten! (S. 217-222)