7.

Hast du noch nimmer geliebt, so geh und liebe noch heute!
Unempfunden entflieht sonst dir das reizendste Glück.
Ach, sie hat mich geküßt! in rosenfarbenem Glanze,
Rasch von den Horen beschwingt, schwimmet mir heute die Welt.
Knieend lag ich vor ihr und zitterte leise vor Sehnsucht,
Weniges flehte der Mund, vieles der schmachtende Blick,
Zagen beklemmte mein Herz, und die Hoffnung kämpfte gewaltsam
Gegen die Furcht, und es hob rasch sich die klopfende Brust.
Aber dem Auge der Holden entfunkelte süße Gewährung:
Siehe, das reizende Weib beugte sich schüchtern herab,
Schlang um den Glücklichen leise den kettenden Arm, und mit Lächeln
Hob sie, wie folgt' ich so gern, sanft an die Brust mich empor.
Nimm, du hast es verdient, so sprach sie mit süßem  Gelispel,
Und ihr rosiger Mund nahte dem meinigen sich,
Glühend weht' um die Lippen der Hauch, und ein brennender Kuß sank
Langsam, gleich des Accords Schwinden, in's Herz mir hinab.
Ach, wie bebt' ich vor Lust und schauderte, wähnte zu sterben,
Und doch hatt' ich noch nie reiner und schöner gelebt.
Seliger Rausch! O möcht' ich doch einst so scheiden, in solchem
Taumel! ich kaufte den Tod gern für die Schätze der Welt.
Lang noch wünscht' ich zu leben mir dann, daß lange die Hoffnung
Mit dem beglückenden Ziel winkte dem sehnenden Geist;
Und dann sänk' ich dahin, von deinen Armen umschlungen,
Und im glühenden Kuß schwebte die Seele dahin;
Kein Elysium fordert' ich dann, und bange vermied' ich
Lethe's dunkele Fluth, gleich dem betäubenden Gift;
Sinnend lehnt' ich mich hin auf rosige Wolken und dächte
Ewigkeiten hindurch an das genossene Glück,
Fühlte den seligen Kuß noch Ewigkeiten und tauschte
Für des Olympiers Thron selbst die Erinnerung nicht.
Hast du noch nimmer geliebt, so geh und liebe noch heute!
Unempfunden entflieht sonst dir das reizendste Glück.

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Collection: 
1841

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12.

Laulich schlüpfte der West durch des Harzwalds schauriges Dunkel,
Ueber den felsigen Höhn spielte das Abendgewölk,
Sehnsucht rieselt' im Quell, und im Berghain rieselte Sehnsucht,
Sehnsucht wiegte sich her auf dem entfernten Geläut,
...

11.

Liebchen, o komm zum ländlichen Fest, das ich heute bereitet,
Wahrlich, im fröhlichen Kreis fehlte die Grazie sonst!
Sieh, zur arkadischen Flur ward rings der verödete Harzwald,
Hoch am schroffen Gebirg winket der Tempel der Lust.
...

10.

Bringst du vielleicht, was jetzt du mir sangst in traulicher Stille,
Einst in die Hände des Volks, zu der Gebildeten Ohr,
O dann tilge den Namen hinweg der Geliebten und jedes
Deutende Wort, denn hart richtet der kalte Verstand!
Also...

9.

Liebchen, wie leben wir doch so wundersam? Sind wir denn wirklich
Eins in das Andre verliebt, oder betrügt uns der Schein?
Traulich sitzen wir oft, und es scherzt muthwillig der Leichtsinn
Ueber das tiefe Gefühl, über ein schwärmendes Paar;
...

8.

Amor, himmelgeborener, komm, nicht jener, der sinnlos
In's wildwogende Meer frevelnder Lüste sich senkt,
Nicht du verderblicher Gott, der tief in die Herzen den Pfeil uns
Schleudert und hoffnungslos ewige Gluthen erweckt:
Nein, du reizendes...