28.

Sympathieengewalt verlachst du und der Berührung
Mächtigen Zauber, der rasch schlummernde Kräfte bewegt?
Nennst nur Wahn die geheime Verwandtschaft ähnlicher Seelen?
Unglückseliger, ach, hast du denn nimmer geliebt?
Beug' ich mich still zum schwellenden Mund der Geliebten, o sprich, was
Zieht mich mit süßer Gewalt hin zu dem seligen Kuß?
Rede, woher der elektrische Druck, wenn die Hand sich der Hand naht,
Und was fesselt den Arm um die Umschlungene fest?
Schaff' ich die Glorie selbst, die mit rosigem Glanz mir das Daseyn
Kränzt, wenn holder ihr Blick lächelt und näher sie weilt?
Bin ich es selbst, der den Geist aufschwingt und mit tieferm Gefühl das
Herz mir begabt, wenn sie hold in dem Liede mir schwebt?
Warum wähl' ich zum Ruhen so gern die Stelle, wo sie saß,
 Finde den Pfad, den sie wandelte, reizend allein?
Pflücke so gern von dem Strauche, wo sie sich Blüthen gepflückt hat,
Nippe so gern, wo sie nippt', an dem Rande des Kelchs?
Sprich, was bebt mir dahin durch's Herz, wenn ihr seidnes Gewand mich
Streift, was lodert in mir, wenn mich ihr Athem berührt?
Warum trübt im Spiele der Lust mein Auge sich plötzlich,
Wenn ihr trauriger Blick weinend zur Erde sich senkt?
Warum flieht aus der Brust mir die düstere Nacht, wenn hold rings
Ihr um den rosigen Mund lächelt der Morgen der Lust?
Ach, wir weilten gewiß in schöneren Welten zuvor schon,
Und der Erinnrung Trost blieb dem verbanneten Geist;
Was wir fühlen, wir fühlten es einst, wir fühlen es ewig,
Jegliche Wonne sie würzt schöner die kommende Zeit.

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Collection: 
1841

More from Poet

12.

Laulich schlüpfte der West durch des Harzwalds schauriges Dunkel,
Ueber den felsigen Höhn spielte das Abendgewölk,
Sehnsucht rieselt' im Quell, und im Berghain rieselte Sehnsucht,
Sehnsucht wiegte sich her auf dem entfernten Geläut,
...

11.

Liebchen, o komm zum ländlichen Fest, das ich heute bereitet,
Wahrlich, im fröhlichen Kreis fehlte die Grazie sonst!
Sieh, zur arkadischen Flur ward rings der verödete Harzwald,
Hoch am schroffen Gebirg winket der Tempel der Lust.
...

10.

Bringst du vielleicht, was jetzt du mir sangst in traulicher Stille,
Einst in die Hände des Volks, zu der Gebildeten Ohr,
O dann tilge den Namen hinweg der Geliebten und jedes
Deutende Wort, denn hart richtet der kalte Verstand!
Also...

9.

Liebchen, wie leben wir doch so wundersam? Sind wir denn wirklich
Eins in das Andre verliebt, oder betrügt uns der Schein?
Traulich sitzen wir oft, und es scherzt muthwillig der Leichtsinn
Ueber das tiefe Gefühl, über ein schwärmendes Paar;
...

8.

Amor, himmelgeborener, komm, nicht jener, der sinnlos
In's wildwogende Meer frevelnder Lüste sich senkt,
Nicht du verderblicher Gott, der tief in die Herzen den Pfeil uns
Schleudert und hoffnungslos ewige Gluthen erweckt:
Nein, du reizendes...