14.

Scheiden müssen wir schon - komm, gieb mir der düsteren Trennung
Bitteren Kuß, und gieb tausend der Küsse mir noch!
Einmal flüstre mir noch ein Wort voll Liebe, noch einmal
Schlinge den glühenden Arm um den Verzagenden hin!
Scheiden müssen wir schon, und ach, wie kettet mich stets doch
Alles an dich, wie zieht jeglicher schüchterne Reiz,
Was die Natur der Gestalt, was die Grazie deinem Gemüth gab,
Was dem Geiste die Kunst weihte, mich wieder dahin!
Jegliche Stunde des Glücks und der Hoffnung, jede der Sehnsucht,
Jede des liebenden Grams nahet verklärter dem Geist.
Fester umschlingt mit dem Zaubergeflecht mich stets die Erinnrung,
Und dem weicheren Sinn zürnet der kalte Verstand.
Ha, wild kämpft in dem Busen mir jetzt der gedoppelten Seelen
 Streit, und die schwächere siegt über die stärkere stets.
Einmal kostet' ich nur von deinen Küssen, nur einmal
Sank ich an deiner Brust üppige Wellen dahin;
Ach, da wand der Bezauberung Macht mir ewige Fesseln,
Und unendlichen Durst weckte das schmeichelnde Gift.
Hätt' ich dich nimmer gesehn! dann tobte kein Sturm in der Brust mir,
Und kein eiteler Wunsch zürnte dem harten Geschick;
Friedlich schaut' ich zurück in die blühenden Thäler, und friedlich
Blickt ich in's dämmernde Blau winkender Ferne dahin.
Ach, du nahmst mir den heiteren Geist, des flüchtigen Wechsels
Rasche Begierde, der Ruh sinnende Träume hinweg,
Gabst für den rosigen Tag mir feindliches Dunkel und raubtest
Selber der Hoffnung Strahl aus der chaotischen Nacht.
Aber entfleuch, wahnsinniger Wunsch, unheiliger Frevel,
Der des empfangenen Glücks selige Stunden  vergißt!
Vielfach blühet die Blume der Lust, süß ist der Erinnrung
Gaukelndes Bild, und süß zarteren Herzen der Gram;
Selbst in des Leids herbsprudelnden Kelch, in die Stunde der Trennung
Mischte der Wehmuth Hauch schmerzlicher Wonne Genuß.
Sprich, o welch ein Gefühl durchströmt uns, wenn wir verzagend,
Fest umschlungen und heiß Lippen an Lippen gepreßt,
Tief in die Brust einsaugen des Wehs unendliche Fülle,
Thräne mit Thrän' und Hauch seufzend vermischen mit Hauch?
Still dann schwimmt durch den schweigenden Gram wehmüthige Wollust,
Und ein goldener Strahl dämmert ins finstere Herz;
Sturm verwandelt in Ruhe sich dann, und starrender Trübsinn
Löst im reichlichen Strom lindernder Thränen sich auf.
Süß ist jeglicher Schmerz, wo die Brust kein tobender Aufruhr
Füllt, der zart des Gefühls klagende Saiten berührt,
Süß wie der Abenddämmerung Nahn, wenn friedlicher Westhauch
Leise des stilleren Hains säuselnde Blätter umbuhlt.
So, so fühl' ich mich jetzt; um den Kranz graunvoller Cypressen
Spielt, o reizender Trug! spielet ein rosiger Glanz.
Ist es der hoffende Wahn der erdumfangenen Psyche,
Daß kein ewiger Schmerz liebende Seelen entfernt,
Oder umwebt dein glühender Kuß, der Rausch der Umarmung
Mit helldämmerndem Gold mild die Gewölke des Grams?
Weine nicht so! o schaue zurück in die selige Zeit hin,
Wo nur Thränen der Lust unsere Augen gekannt;
Denk' an die heimlichen Stunden des Glücks, an des schaurigen Harzwalds
Dämmernde Thäler, so oft Zeugen des süßen Gesprächs;
Denk' an den lüsternen Rausch des Erstlingskusses, und fernhin
Fliehe der jetzige Gram vor der entschwundenen Lust!

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Collection: 
1841

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12.

Laulich schlüpfte der West durch des Harzwalds schauriges Dunkel,
Ueber den felsigen Höhn spielte das Abendgewölk,
Sehnsucht rieselt' im Quell, und im Berghain rieselte Sehnsucht,
Sehnsucht wiegte sich her auf dem entfernten Geläut,
...

11.

Liebchen, o komm zum ländlichen Fest, das ich heute bereitet,
Wahrlich, im fröhlichen Kreis fehlte die Grazie sonst!
Sieh, zur arkadischen Flur ward rings der verödete Harzwald,
Hoch am schroffen Gebirg winket der Tempel der Lust.
...

10.

Bringst du vielleicht, was jetzt du mir sangst in traulicher Stille,
Einst in die Hände des Volks, zu der Gebildeten Ohr,
O dann tilge den Namen hinweg der Geliebten und jedes
Deutende Wort, denn hart richtet der kalte Verstand!
Also...

9.

Liebchen, wie leben wir doch so wundersam? Sind wir denn wirklich
Eins in das Andre verliebt, oder betrügt uns der Schein?
Traulich sitzen wir oft, und es scherzt muthwillig der Leichtsinn
Ueber das tiefe Gefühl, über ein schwärmendes Paar;
...

8.

Amor, himmelgeborener, komm, nicht jener, der sinnlos
In's wildwogende Meer frevelnder Lüste sich senkt,
Nicht du verderblicher Gott, der tief in die Herzen den Pfeil uns
Schleudert und hoffnungslos ewige Gluthen erweckt:
Nein, du reizendes...