Wiedersehn

Du tratest zu mir in das Zimmer -
Fremd war mir die hohe Gestalt -
Du grüßtest bewegt mich und leise,
Ich dankte gemessen und kalt.

"So mahnt dich kein einziges Zeichen,
Das dir in Erinnrung blieb,
So hast du mich gänzlich vergessen,
Mein armes, verlorene Lieb?"

Die seltsame Klage berührte
Noch unverstanden mein Ohr,
Doch fühlt' ich mich eigen durchschauert
Und blickte betroffen empor.

Es traf mich aus forschendem Auge
Ein lieber, vertrauter Strahl -
Da löste dem Blick sich das Rätsel,
Nun wußt' ich's mit einem Mal.

Und lange, verflossene Jahre,
Sie sanken plötzlich zurück -
Vor dem Auge, von Thränen umschleiert,
Auf tauchte der Jugend Glück.

Da glänzten des Flusses Wellen
Im Morgen- und Abendschein,
Und wieder von Hoffen und Träumen
Beseligt schaut' ich hinein.

Von Träumen, aus luftigen Fäden
So schimmernd, so leicht gewebt,
Von Hoffen, wie Wolken und Wellen,
Im Hauche des Windes entschwebt. -

Das ist nun verrauscht und verflogen,
Wir beide sind lang erwacht -
Oft hab' ich in einsamen Stunden
Der alten Zeiten gedacht.

Dann war es mir immer, als müßte
Zum Ende noch eines geschehn,
Als müßten wir Auge in Auge
Noch einmal uns wiedersehn,

Als müßte die Brücke sich bilden
Von damals herüber zu heut -
Und siehe, nun warst du gekommen
Und hast mir das Herz erfreut.

Das schlägt nun friedlich und stille,
Auch wenn es in Dämmerung träumt;
Denn jetzt ist der Abschied genommen,
Der damals so traurig versäumt.

Collection: 
1877

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