Silberspiegel, du einzig vertrauter der Freunde,
der mein Selbst an mich schenkt, das andre nur von mir fordern,
noch zeigst voll du mein Haar, gleich ungedroschenen Garben.
Schwarze Verführung das Aug, rote Verlockung der Mund! -
Aber kommt erst der Tag, an dem du verstohlen mich warnest:
"Merk's, nicht ewig gnädig bleibt Venus gewogen!
Bald dem Gold deines Haars mengt sparsam sich Silber,
Kirschblüt der Wangen verwelkt, Kirschfrucht der Lippen verdorrt.
Da die Liebe so viel dir der Schätze brachte,
freu der Schätze dich nun, und laß die Liebe!" - - -
Silberspiegel, weißt du auch Faustas Antwort?
"Von dem ganzen Olympos glühender Freuden
gaben die Göttinnen uns, den sterblichen Schwestern,
einen flüchtigen Augenblick ihres Glücks nur:
jenen, da das Begehren in fremden Augen
aufflammt und uns den Ewigstrahlenden gleichstellt.
Geh ich heute abend über das Forum,
und dem schaffenden Schmied entfällt nicht der Hammer,
und der durstige Zecher versäumt nicht den Umtrunk,
und es drehn sich nicht rückwärts errötende Mädchen,
und es schlägt aus des Greises erloschenem Herzen
letzte Glut nicht, wie erste aus dem des Knaben - - -
Spiegel, dann will ich heimgehn, dich zu zerschlagen,
und das gleiche Feuer mag dich zerschmelzen,
das den Leib mir als leichte Asche zurückläßt, -
allen Winden ein Spiel, wie einst allen Lüsten."
Aus: Alma Johanna Koenig Liebesgedichte
F. G. Speidel'sche Verlagsbuchhandlung Wien und Leipzig 1930