Sonettenkranz

1.
Wenn rings im Lenz sich Blumenpracht erschlossen,
Und Farbenschimmer spielt an jeder Stelle,
Und ringsum sprüht der Düfte süße Quelle,
Da freuen Alle sich der bunten Sprossen;

Doch mehr noch, wenn die farbigen Genossen
Uns aus dem Spiegel einer klaren Welle
Entgegenleuchten, hat in milder Helle
Der Schönheit Glanz sich über sie ergossen.

So mag ein schönes, göttliches Gemüthe
Den guten Menschen immerdar gefallen,
Daß es die Menschen hin zum Guten treibe;

Doch herrlicher fürwahr gefällt sie Allen,
Des schönen Herzens ewig frische Blüthe,
Strahlt sie hervor aus einem schönem Leibe. (Band 1, S. 64)

2.
Die Augen der Geliebten

Mag immerhin das Schicksal mir's versagen,
Auf deiner Spur mit zweifelhaften Tritten
Durch Strom und Meer, durch starrer Felsen Mitten
Dir in die Ferne eilend nachzujagen,

So muth'ger wird der Geist die Flügel schlagen,
Der sich empor schwingt ob der Menschen Hütten
Zu Höhen, die kein ird'scher Fuß beschritten,
Mich durch die Luft, den Sehnenden, zu tragen.

Doch trüg' er mich empor zu Sonnenfernen,
Wo an des großen Lichtes Flammenbronnen
Die Sternlein sich, die leuchtenden, entzünden,

Nicht Eines dennoch würd' er dorten finden,
Dem gleicher Schimmer ward, als den zwei Sternen,
Die niedern überglänzen alle Sonnen. (Band 1, S. 65)

3.
Fromm blickt' ich auf zu der Gebenedeiten;
Da lösten plötzlich sich der Sehnsucht Schmerzen,
Und Hoffnungsstrahlen drangen mir zum Herzen.
Wie Silberwölkchen sah ich's niedergleiten,

Und hüllend ihr sich um die Schultern breiten,
Und Engelknaben sah im Strahl der Kerzen
Ich lieblich um die Gottesmutter scherzen,
Und tief erklangen meines Herzens Saiten.

Als ich nun aus der Andacht Traum erwachte,
Und nach dem Bilde wieder aufwärts blickte,
Da war's ein Anders. - Wie ich' still betrachte,

Erkenn' ich dich, L..., zum Beweise,
Daß, wenn das Herz an Einem sich entzückte,
Es ewig um die Eine liebend kreise. (Band 1, S. 66)

4.
Oft fühl' ich einer höhern Liebe heil'ge Gluthen,
Und klein nur dünkt, was ich zum Opfer brächte;
Dann trüg' ich gern ein großes Leid und möchte
Mein Herzblut froh für alle Welt verbluten;

Doch will es dann auch wieder mir gemuthen,
Als habe noch das Leben seine Rechte,
Und Leben auch sei dienen dem Geschlechte;
Drum schwimm' ich fort, ein Tröpflein, durch die Fluthen.

Das Ganze will im Theil sich offenbaren,
Und wer den Theil recht liebt, der liebt das Ganze;
Im tiefsten Herzen hab' ich's oft erfahren.

Drum ring' ich nicht nach lichtem Martyrkranze;
Der schönste Kranz strahlt mir in ihren Haaren,
Das reinste Licht in zweier Augen Glanze. (Band 1,S. 67)

5.
Ein Fahrzeug sah ich jüngst durch Wellen gleiten
Von Rosenwölkchen, Tau und Mast umglommen,
Auf welchen Englein ihren Sitz genommen,
Es durch die Fluthen sicher zu geleiten.

Als wollt' ein schönes Fest sich drin bereiten,
Kam es mit Sang und Klang herangeschwommen,
Daß, aus des Wassers Grund emporgekommen,
Delphine jubelnd sich zum Tanze reihten.

Und viel der frohen Kinder sah' ich drinnen,
Und lehrend eine Jungfrau unter ihnen;
Drauf sah ich reichen Port das Schiff gewinnen. -

Du willst hinaus dich in die Fluthen wagen?
Und zagst? - O zage nicht! Was mir erschienen,
Ein Vorbild war's von deinen künft'gen Tagen. (Band 1, S. 68)

Collection: 
1843

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