• Versuche nicht, die Unbill zu beschönen,
    Mit der du lieblos willst mein Herz betrüben;
    Dein Mund, doch nicht dein Auge mag mich höhnen,
    Brauch’ deine Kraft, doch mögst nicht List du üben.
    5 Sag’, daß du Andre liebst; doch bin ich bei dir,
    Laß deine Augen dann nicht seitwärts spielen;
    Wozu schlägst listig du die Wunde mir,
    Da offne Macht ich...

  • Wenn Andre wünschen, hast du deinen Willen,
    Hast Willen ganz und Will’n im Ueberfluß,
    Dein Quäler, ich, genügend will ihn stillen,
    Dem holden Willen füg’ ich bei als Schluß:
    5 Willst du, die ist gewillt so reich und weit,
    Nicht gütig bergen meinen Will’n in deinen?
    Soll Andrer Wille finden dich bereit,
    Kein gnäd’ger Strahl soll meinem freundlich...

  • Schilt dich die Seele, daß ich kam zu nah,
    Dann schwör’ ihr, daß dein Will ich war vor Allen;
    Sie weiß es, er war gern gesehen da;
    Möcht’ auch mein Liebeslied ihr so gefallen.
    5 Will will den Schatz von deiner Liebe füllen,
    Mit andern Willen füllen und dem meinen;
    Man übersieht uns um der Menge willen,
    In großer Zahl hält Einen man für Keinen....

  • Der thöricht blinde Gott, warum wohl trügt
    Die Augen er, die seh’n und doch nicht recht?
    Sie wissen, was Schönheit ist, wo sie liegt,
    Doch schätzen Bestes sie, als wär es schlecht.
    5 Wenn sich das Aug’, verzückt durch falsche Blicke,
    Den Hafen sucht, dahin nun Alles strebt,
    Was brauchst als Hamen du der Augen Tücke,
    An dem mein Urthelsspruch...

  • Wenn Liebchen schwört, daß sie der Wahrheit treu,
    Dann glaub’ ich’s ihr, wenn auch ich weiß, sie lügt,
    Damit sie wähnt, daß Jüngling ich noch sei,
    Mir unbewußt, wie falsche Welt betrügt.
    5 So, thöricht denkend, daß sie jung mich hält,
    Wenn auch sie weiß, mein Jugendlenz sei hin,
    Glaub’ gern ich, was die falsche Zung’ erzählt;
    Entstellt von...

  • Vom schönsten Wesen wünschen Zuwachs wir,
    Damit der Schönheit Rose bleibe ewig jung,
    Und wenn der Reifre einstens schied von hier,
    Sein Erb’ ihm wahre die Erinnerung.
    5 Doch du, beschränkt auf deinen Flammenblick,
    Nährst durch den eignen Brand der Flamme Gluth,
    Und bringest Noth in üpp’ger Fülle Glück,
    Du selbst dein eigner Feind in seltner Wuth...

  • Wenn eine vierzig Winter lange Zeit
    In deiner Schönheit Feld furcht tiefe Spur,
    Ist welkes Kraut der Jugend stolzes Kleid,
    Jetzt hoch bestaunt und dann verachtet nur.
    5 Gefragt dann: wo blieb deiner Schönheit Glück,
    Wo all’ der Schatz aus schöner Tage Traum?
    Zu sagen: in dem eignen hohlen Blick –
    Das wäre Schimpf und leeren Ruhmes Schaum....

  • Sieh’ in den Spiegel, sag’ dem Antlitz dann:
    Zeit ist’s, daß es ein Ebenbild erhält;
    Daß, wenn es neues Leben nicht gewann,
    Du um die Mutter nicht betrügst die Welt.
    5 Denn wo ist, deren Leib noch ungepflügt
    Der Gattenliebe Anbau je verschmäht?
    Und wo der Thor, der das Geschlecht betrügt,
    Wenn Eigenliebe stolz zu Grabe geht?
    Du bist der...

  • Warum, o Anmuth, willst für dich du nur
    Der Schönheit hold Vermächtniß so verschwenden?
    Denn Alles leiht und nichts schenkt die Natur,
    Doch frei ist, dem sie leihet ihre Spenden.
    5 Warum mißbrauchst du, schöner Geizhals, doch
    Die güt’ge Fülle, die dir ist gegeben?
    Zinsloser Wuchrer, warum brauchst du noch
    So große Summen, und kannst doch nicht...

  • Ist’s Furcht, daß Wittwenaugen um dich leiden,
    Wenn grausam dich die Einsamkeit behält? –
    O solltest kinderlos du leider scheiden,
    Beklagt dich, ein verwittwet Weib, die Welt.
    5 Sie wird als deine Wittwe stets beweinen,
    Daß du nicht ließt ein Bild von dir zurück,
    Indessen andern Wittwen wohl erscheinen
    Des Gatten Formen in des Kindes Blick....