• Wo bist du, Muse, und vergißt so lang,
    Zu rühmen, was dir deine Macht verleiht?
    Giebst du dein Feuer hin an schlechten Sang,
    An Niedres deine Verse, bald bereut?
    5 Kehr’ um, vergeßne Mus’, und büße jetzt
    In edlen Versen die verlorne Zeit!
    Dem Ohre sing’, das deine Lieder schätzt,
    Und deiner Feder Stoff und Form verleiht.
    Sieh’, böse Muse...

  • O arge Muse, wie willst du’s entschuld’gen,
    Daß Wahrheit du durch Schönheit nicht geschmückt?
    Wahrheit und Schönheit meiner Liebe huld’gen;
    Auch du dienst ihr, dadurch zumeist beglückt.
    5 Gieb Antwort, Muse! Wirst du sagen nicht:
    „Der Wahrheit fehlt nicht Zierde, die ihr eigen,
    „Nicht zieht der Pinsel Schönheit an das Licht,
    „Am besten wird das...

  • Mein Lieben wächst, mag’s wen’ger auch sich zeigen,
    Nicht minder lieb’ ich, prunk’ ich drob auch nicht;
    Die Lieb’ ist käuflich, wenn sie nicht verschweigen
    Der Eigner kann, und überall bespricht.
    5 Jung war mein Lieben und in Frühlingszeit,
    Als ich’s in meinen Liedern stets besungen;
    Dem Lenz die Nachtigall nur Töne weiht,
    Nie ist ihr Flöten...

  • Wie ärmlich ist’s, was meine Muse schafft,
    Der solch ein Stoff ward, ihre Macht zu weisen!
    Der nackte Inhalt hat allein mehr Kraft,
    Als wenn ich ihn geschmückt mit meinem Preisen.
    5 O, darum tadle du nicht mehr mein Schweigen,
    Sieh’ in den Spiegel und erblicke dich
    So schön, wie Phantasie dich nie kann zeigen;
    Es schmäht mein Singen, bringt in...

  • Mir, schöner Freund, kannst nie du werden alt,
    Denn wie du warst, da ich zuerst dich fand,
    Ist deine Schönheit noch. Drei Winter kalt,
    Drei Sommern haben sie den Schmuck entwandt;
    5 Drei schöne Lenze haben sich gekehrt,
    Im gelben Herbst allmälig zu verblüh’n;
    Dreimal hat Maienduft August zerstört,
    Seit ich dich schaute, der du stets noch grün....

  • O sage nicht, mein Herz sei wandelbar,
    Wenn Trennung meine Gluth zurückedrängt!
    Wohl eher ließ mein Leben ich fürwahr,
    Als meine Seele, die dein Herz umfängt.
    5 Das ist der Liebe Heimath, und mich führt,
    Dem Wandrer gleich, die lange Fahrt zurück;
    Zu rechter Zeit, nicht von der Zeit berührt,
    Versöhn’ ich meinen Fehl im Augenblick.
    O...

  • Von welcher Macht empfingst du die Gewalt,
    Daß du mein Herz beherrschest, selbst so schwach?
    Daß oft mein treues Aug’ ich Lügner schalt,
    Und schwur, nicht schmücke Lichtes Glanz den Tag?
    5 Woher ward deiner Schlechtigkeit die Gunst,
    Daß selbst in deiner schlimmsten That sich zeigt
    So viele Kraft und Zierlichkeit der Kunst,
    Daß mir dein...

  • Lieb’ ist zu jung, zu kennen das Gewissen,
    Doch wer weiß nicht, daß es es entsteht aus ihr?
    Drum, Holde, laß mich deinen Vorwurf missen,
    Sonst bist du, Liebchen, selber Schuld an mir.
    5 Denn wenn du mich verführst, verführ’ auch ich
    Den edlern Theil von mir zum Selbstverrath;
    Die Seele sagt’s dem Körper, daß sie sich
    Sehnt nach Triumph, das...

  • Du weißt, daß meine Lieb’ ich dir gebrochen,
    Doch ist zwiefacher Meineid deine Schuld,
    Da deine That der Treue Hohn gesprochen,
    Und neuen Haß du trugst nach neuer Huld.
    5 Was schadt’s, daß zweimal du mich hast betrogen,
    Da zwanzigmal ich’s that? Falsch war mein Schwur,
    Mit allen Eiden hab’ ich dich belogen,
    Bei dir blieb nicht die kleinste Treue...

  • Cupido einst den Brand zur Seite schlief;
    Dianens Mädchen fand ihn glücklich dort,
    Und tauchte seine Liebesfackel tief
    In einen kühlen Quell an jenem Ort.
    5 Sogleich durchzieht die heil’ge Liebesgluth
    Mit heißen Flammen ihn auf ew’ge Zeit,
    Als heißes Bad er jetzt noch Wunder thut,
    Und seinen Schutz elender Siechheit weiht.
    Doch an des...