• Von welcher Macht empfingst du die Gewalt,
    Daß du mein Herz beherrschest, selbst so schwach?
    Daß oft mein treues Aug’ ich Lügner schalt,
    Und schwur, nicht schmücke Lichtes Glanz den Tag?
    5 Woher ward deiner Schlechtigkeit die Gunst,
    Daß selbst in deiner schlimmsten That sich zeigt
    So viele Kraft und Zierlichkeit der Kunst,
    Daß mir dein...

  • Lieb’ ist zu jung, zu kennen das Gewissen,
    Doch wer weiß nicht, daß es es entsteht aus ihr?
    Drum, Holde, laß mich deinen Vorwurf missen,
    Sonst bist du, Liebchen, selber Schuld an mir.
    5 Denn wenn du mich verführst, verführ’ auch ich
    Den edlern Theil von mir zum Selbstverrath;
    Die Seele sagt’s dem Körper, daß sie sich
    Sehnt nach Triumph, das...

  • Du weißt, daß meine Lieb’ ich dir gebrochen,
    Doch ist zwiefacher Meineid deine Schuld,
    Da deine That der Treue Hohn gesprochen,
    Und neuen Haß du trugst nach neuer Huld.
    5 Was schadt’s, daß zweimal du mich hast betrogen,
    Da zwanzigmal ich’s that? Falsch war mein Schwur,
    Mit allen Eiden hab’ ich dich belogen,
    Bei dir blieb nicht die kleinste Treue...

  • Cupido einst den Brand zur Seite schlief;
    Dianens Mädchen fand ihn glücklich dort,
    Und tauchte seine Liebesfackel tief
    In einen kühlen Quell an jenem Ort.
    5 Sogleich durchzieht die heil’ge Liebesgluth
    Mit heißen Flammen ihn auf ew’ge Zeit,
    Als heißes Bad er jetzt noch Wunder thut,
    Und seinen Schutz elender Siechheit weiht.
    Doch an des...

  • Der kleine Liebesgott legt’ einst im Schlaf
    Zur Seite sich den herzerglüh’nden Brand,
    Als eine Schaar von Nymphen auf ihn traf,
    Die ew’ge Keuschheit schwur. In ihre Hand
    5 Die schönste Spröde nahm den Feuerstrahl,
    Der viele treue Herzen einst entzündet;
    Und so der Feldherr aller Liebesqual
    Entwaffnet sich von Mädchenhänden findet.
    Drauf...

  • Laß nicht abgöttisch meine Liebe heißen,
    Noch den Geliebten nur ein leer Gedicht,
    Da gleicher Weis’ mein Singen und mein Preisen
    Von ihm und zu ihm stets dasselbe spricht.
    5 Mein Lieb ist freundlich heut und freundlich morgen,
    Und stete Treue schmückt ihn wunderbar;
    Drum auch um Mannigfaltigkeit nicht sorgen
    Die Vers’, und stets dasselbe bringen...

  • Wenn in der Chronik längst verschollner Zeit
    Ich dargestellt sah schöner Reden Bild,
    Im alten Reim, der Schönheit Dienst geweiht,
    Verblichner Frau’n und Ritter Preis enthüllt;
    5 Wie holder Reiz im Liede ward verehrt
    Von Hand und Fuß, von Auge, Lipp’ und Brau’n:
    Dann hat verjährter Sang mir nur erklärt
    Die Schönheit, deren Herrin wir dich schau’n...

  • Nicht eigne Furcht, nicht das Prophetendichten
    Der weiten Welt, die Zukunftsträume nährt,
    Kann meiner treuen Liebe Bund vernichten,
    Als ob mein Recht auf Frist mir nur gewährt.
    5 Der bleiche Mond, er konnt’ Verfinsterung höhnen,
    Der Augur[1] glaubt nicht an sein trübes Wort;
    Als sicher wird Unstetes sich nun krönen,
    ...

  • Was kann mein Hirn für Zeichen noch erfinden,
    Die nicht mein treues Herz dir schon beschrieb?
    Was gäb’s zu sprechen neu, was zu verkünden,
    Das meiner Lieb’ und deinem Lob verblieb? –
    5 Nichts, süßer Knabe! Wie ein fromm Gebet
    Muß täglich ich dieselben Worte brauchen;
    Nichts Altes ist, da unser Bund besteht,
    So jung als meiner Liebe erstes...

  • Ach, wahr ist’s! unstät schweift’ ich her und hin
    Und zeigte narrenscheckig mich dem Blick,
    Bot Theures feil, befleckt’ den eignen Sinn,
    Rief alte Schmach mit neuem Trieb zurück.
    5 Wohl habe fremd und scheel ich angeseh’n
    Das Wahre; doch ich schwör’s beim Himmel droben,
    Daß dieser Fall verjüngt mich ließ ersteh’n,
    Der Frevel ließ mich deine Treu...