An Annie

     

Dem Himmel sei Dank,
Die Gefahr ist vorüber!
Wohl bin ich noch krank,
Doch das schreckliche Fieber,
Das Lebensfieber,
Ist glücklich bekämpft,
Ist endlich gedämpft.

Wohl sag’ ich mir:
„Deine Kraft ist geschwunden,“
Denn ich liege hier
Wie angebunden, –
Ans Bett gebunden –
Doch einerlei,
Die Gefahr ist vorbei.

Und ich liege so still
In meinen Decken,
Schweigend und still –
Man möchte erschrecken,
Vor mir erschrecken:
Ich bin so weiß
Und athme so leis.

Doch das Stöhnen und Aechzen,
In den Adern das Kochen,
Das wahnsinn’ge Lechzen,
Das schreckliche Pochen,
Im Herzen das Pochen –
Der Druck von Blei
Gab mich endlich frei.

Und die zehrende Gier,
Mit der ich geschmachtet,
Ein halber Vampyr,
Nach dem Born umnachtet,
Dunkel umnachtet,
Dem Born der Hölle,
Der Naphtaquelle
Der Leidenschaft –
Ist nunmehr erschlafft.

Mich dürstet nicht mehr
Nach der dunklen Welle,
Denn all mein Begehr
Stillt jetzt eine Quelle,
Eine lautre Quelle.
Lauter und sanft
Mit weichem Ranft.

Man sage mir nicht,
Mein Gemach sei ärmlich
Und ohne Licht
Und mein Lager erbärmlich,
Schmal und erbärmlich –
Ich liege gut,
Mein Sinnen ruht.

Mein Sinnen ruht,
Mein Gemüth ist entlastet
Und das wilde Blut
Ward ruhig und hastet
Nicht mehr so jäh
Zum Herzen wie eh!

Des, was mich bedrückte,
Betäubte, verwirrte,
Und was mich berückte,
Der Rose und Myrthe,
Des Duftes der Myrthe
Denk’ ich jetzt kaum –
Süß ward mein Traum –

Es wehet um ihn
Ein heiliger Odem
Von Rosmarin,
Nicht mehr der Brodem,
Der dumpfe Brodem
Der Höllenkraft,
Der Leidenschaft.

Und so lieg’ ich
Wohlig gebettet
Und fühle mich
Glücklich gerettet,
Vom Tod errettet.
Weich ist mein Pfühl
Und wonniglich kühl.

Und liebewarm
Bin ich umschlossen
Von Annie’s Arm
Und rings umflossen,
Golden umflossen
Von ihrem Haar,
Wie die Sonne klar.

Bricht der Abend an,
So küßt sie mich innig
Und betet dann
Für mich so sinnig,
So schlicht und sinnig
Zur Engelschar:
Schützt ihn vor Gefahr!

Da lieg’ ich denn still
In meinen Decken,
Schweigend und still –
Man möchte erschrecken,
Vor mir erschrecken –
Ich bin so weiß
Und athme so leis.

Doch mein Herz ist voll Glanz
Wie die lichte Höhe
Und selig und ganz
Erfüllt von der Nähe,
Der holden Nähe
Der geliebten Maid,
Meiner sanften Maid –

Meine Seele glüht
Mit den reinen Flammen
Ihrer Liebe und flieht
In den wundersamen
Himmlischen Raum
Zu seligem Traum.

Collection: 
Translator Simple: 
Hedwig Lachmann (1865–1918)
1891

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