Morgenständchen

 
Steh' auf und öffne das Fenster schnell,
Es lacht der Morgen so frisch, so hell,
Und unten im kleinen Garten
Sind Leute, die Deiner warten.

Die Veilchen kamen über Nacht,
Hoffärtig breit sich die Tulpe macht,
Und träumend auf und nieder
Schwankt schon der blaue Flieder.

Die Aermsten haben keine Ruh',
An's Fenster blicken sie immerzu,
Sie glauben nicht an des Lenzes Wehen,
Bis sie die holde Rose gesehen.

aus: Gedichte von Albert Traeger
Neunte vermehrte Auflage
Leipzig Verlag von Ernst Keil 1873

Collection: 
1873

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