1.
Quäll' und Fluß der güldnen Tugend/
und der Weißheit Eigentuhm/
schönstes Wunder reinster Jugend/
und der höchsten Keüschheit Bluhm!
Du der Nimfen Ehr und Plan
hör mein schlechtes singen an.
2.
Gestern als der Schatten wiche
und das Licht der stillen Nacht
dises Erden rund beschliche
und zur süssen Ruhe bracht'/
ach da ward mein blöder Muht
Kind/ von deinem singen guht.
3.
Doch dein singen hat mein Leben
angezündet und verletzt
daß es von der Lieb ümgeben
und in Leiden ist versetzt/
was ich vormahls offt verflucht
wird mit fleiß von mihr gesucht.
4.
Du bist meine Sang-Sirene
die mein Hertze zwingen kan/
du bist meine traueste Schöne
und ich bin dein Untertahn/
deiner Stimme Kunst und Macht
hat mein Hertz zu dihr gebracht.
5.
So könt Arion nicht singen
wie du kanst mein Hertzen Ich!
Orpheus könte so nicht zwingen
Tihr und Wälder wie du mich/
Zukker Seelchen gläube frey
daß dein singen kräfftig sey.
6.
Alles was in Wäldern lebet/
alles was die Elbe hegt/
was in Busch und Feldern schwebet
und was dise Gegend trägt
wird so bald dein Kälchen singt
flugs mit Lihbes Pein üm-ringt.
7.
Solt ich den von Stahl und Eisen/
auß-erkohrnes Leben sein/
daß mein Sinn durch deinen Weisen
würde nicht genommen ein?
Nein Ich bin auch Fleisch und Bluht
und hab' einen Menschen Muht.
8.
Siegreich werd' ich zwar genennet
aber itzund bin ichs nicht
weil du meinen Sieg getrennet/
meiner Liebe Rosen-Licht!
vormahls sigete fürwar
ich/ mein Kind! auch in Gefahr.
9.
Jtzund aber nicht mein Leben
den ich muß dihr geben nach/
kan mit-nichten wieder-streben/
(o ein schönes Ungemach!)
deiner Stimme Liebligkeit
Siegen ist nun von mihr weit.
10.
Weil den nun dein schönes singen
mich in Liebe Leid gebracht?
Wol! so laß mihrs jtzt gelingen
laß mich ohne Gegen-macht/
sonder Schaden und Gefahr/
küssen offt dein Lippen-pahr.