Theodote

Kreitton logou to kalloV thV gunaikoV

I.
Ob du daran wirst Wohlgefallen tragen,
Wenn ich dein Lob vor aller Welt verkünde?
Ich weiß es nicht; doch eh' ich es ergründe,
Beginn' ich schon und will nicht länger fragen.

Unmöglich kannst du ja zu zürnen wagen
Und es ein Unrecht nennen oder Sünde,
Wenn ich an deinem Anblick mich entzünde -
Dem Dichter kann das Schöne nur behagen.

Und du bist schön! Schön wie das Licht der Sterne,
Schön wie der Rose kaum erblühte Pracht,
Schön wie ein Frühlingsahnen aus der Ferne.

Und alle diese nahm ich schon in Acht:
Von Rosen sang ich und vom Frühling gerne,
Wie hätt' ich preisend nicht auch dein gedacht?

II.
Ich weiß: du lächelst, wenn du diese Zeilen
Im Flug durchirrst, von andern Bildern voll,
Und jedes Wort, das warm der Brust entquoll,
Verfolgst du mit des Spottes scharfen Pfeilen.

Es sei. Nicht länger laß den Blick verweilen
Auf diesem Blatt; keck schilt mich, schilt mich toll -
Ich thu', was ich aus tiefstem Drange soll,
Und so mag dein Verdammen mich ereilen.

Doch lob' ich dich, selbst da du mich gescholten,
Und dieses Lob wird nicht wie Spreu zerstieben,
Wenngleich du nur mit Spott es mir vergolten.

Noch immerdar ist jung und neu geblieben
Der Dichter Lob, wie auch die Jahre rollten,
Da sie das Göttliche im Schönen lieben.

III.
Wie schön du bist, ich wag' es nicht mit Bildern,
Mit Worten nicht zu sagen, die gleich Funken
Vereinzelt sprühend, bald in Nacht versunken
Dich nie so ganz, wie du erscheinest, schildern.

Der Lippen feines Lächeln, den bald mildern,
Bald stolzern Blick, dran ich mich krank getrunken,
Die edle Stirn, als dächtest du zu prunken
Mit hundert ruhmbedeckten Ahnenschildern -

Wer schildert das? Doch ja, vor langen Jahren
Wagt' einer seine Kunst ganz zu beweisen
An deinem Blick und Wuchs und seidnen Haaren.

Noch heut sind sie vereint, dein Bild zu preisen,
Und Rubens war's, der deinen Reiz erfahren
An ihr, die einst Helen' Froment geheißen.

IV.
Kaum möglich ist mir's mehr, mich selbst zu kennen,
Der sonst gewohnt, in glücklichem Verlangen
An schönen Lippen liebefroh zu hangen,
Auf schöne Stirnen Kuß um Kuß zu brennen.

Dich lieb' ich nun und weiß dich kaum zu nennen,
Ich suche dich, um stets in gleichem Bangen
Vor dir zu fliehen, wo du kommst gegangen,
Wie ew'ge Normen Nacht und Morgen trennen.

So schweb' ich zwischen Seligkeit und Pein,
So schweb' ich zwischen Fürchten und Begehren,
Machtlos, von diesem Bann mich zu befrei'n.

Er ist mir neu. Und doch, ein endlos Währen
Wünsch' ich ihm fast; denn süß däucht mir zu sein,
In solchem Schmerz nach dir mich zu verzehren.

V.
Jüngst sah ich dich zur Zeit der Mittagsstunden,
Du schrittest leicht dahin gleich einer Fee,
Ich folgte dir und hatte deiner Nähe
Vielholden Zauber nie so warm empfunden.

Der Strahl der Sonne schien an dich gebunden,
Als ob die Welt um dich in Flammen stehe -
Da plötzlich warst du, eh' ich näher gehe,
In eines Hauses dunklem Thor verschwunden.

So sinkt ein Stern, den kaum die Nacht geboren:
Mir war, als sei mein Loos hier zugemessen,
Als hätt' ich nun auf immer dich verloren.

In laute Klage brach ich aus. Indessen
Es war die eitle Klage eines Thoren -
Verlieren kann ja nur, wer schon besessen.

VI.
Ich höre die erregte Menge lärmen
Und hör' vom Markt den Hader der Partei'n,
Da Volk und Adel sich so heiß entzwei'n,
Daß schon der Trotz beginnt sich zu erwärmen.

Sie mögen's thun, ich will mich drum nicht härmen -
Freiheit, Gesetz - ich bitte, theilt euch drein!
Doch mich mit meiner Liebe laßt allein
Und gönnt mir heut, für sie allein zu schwärmen.

Säh't ihr sie nur, der jeder Reiz verliehen!
Säh't ihr sie nur, von Anmuth ganz umfah'n,
Die Trägerin der schönsten Harmonien.

Volk, Adel - freudig stauntet ihr sie an,
Bewundernd läg't ihr Alle auf den Knien
Und eure Zwietracht wäre abgethan.

VII.
Es wohnt wie Spott in deinen schönen Zügen,
Die doch bestimmt, so ganz uns zu bestricken,
Daß wir gleich Vögeln, die nach Früchten picken,
Uns gern dem Netze deiner Reize fügen.

Wer ist auch frei von eitlem Selbstgenügen?
Schienst du nicht leicht, ganz leicht ihm zuzunicken?
Er sieht den Schalk nicht, der aus deinen Blicken
Aufblitzend warnt, uns selbst nicht zu betrügen.

Ihr Schelmenaugen! Eure Pfeile ritzen
Nicht nur - sie dringen bis zum Quell des Blutes,
In lichter Fieberglut es zu erhitzen.

Wie lieb' ich euch! Ihr spottet? Thut, o thut es!
Der Jugend Kraft seh' ich darin, das Blitzen
Des heitern, sieggewohnten Uebermuthes.

VIII.
Wer schilt mich Träumer, weil ich lieb' und schweige?
Nein, eine Tugend nenn' ich das Entsagen
Und groß, im Herzen treu das Bild zu tragen,
Vor dem ich mich aus freier Ehrfurcht neige.

Zwar dann und wann wohl wünscht' ich mir, es zeige
Ein einz'ger Blick, ein Lächeln nur das Tagen
Selbst einer flücht'gen Neigung - doch ertragen
Will ich des Zweifels Marter bis zur Neige.

Und wie der Mönch, der in der stillen Zelle
Zur Mutter Gottes brünstig fleht im Staube
Und um ihr Haupt sieht fließen Himmelshelle -

So bet' auch ich, gewiß, daß Niemand raube
Mir dieses Glückes göttlich reine Quelle,
Dich, Holde, an und hoff' und lieb' und glaube.

IX.
Wie? Hätt' ich wirklich Großes denn verbrochen,
Hätt' ich einmal das keimende Verlangen
Erfüllt und hätte, wenn auch unter Bangen,
Dich einmal nur, nur einmal angesprochen?

Nur aber schwanden Stunden, Tage, Wochen,
Verschwendet, jenen Träumen nachzuhangen,
Die schmeichlerisch mir meinen Sinn befangen
Und allen Muth mir weichlich schier bestochen.

Wag' ich es nun? Schelt' ich die Träume Grillen?
Ermann' ich mich und flehe nur um einen,
Nur einen Blick, ein Lächeln, mir zu Willen?

Nein, nein! Ich könnte allzu keck erscheinen -
Dazwischen freilich beb' ich auch im Stillen,
Du möchtest stolz mir meinen Wunsch verneinen.

X.
Das ist der Schönheit zauberreichster Segen,
Daß, wo sie strahlend sich den Blicken beut,
Sie alle Herzen wundersam erfreut
Und Licht und Lichtglanz weiß um uns zu legen.

Wir bringen ihr die Huldigung entgegen,
Die nur das Volk den Königinnen streut -
Denn Königinn ist: die sich stets erneut,
Die Schönheit nur uns jetzt und allerwegen.

Die Schönheit sehen ist: ein Glück gewinnen;
Es ist, wie Gottes Nähe uns umweht
Und uns durchschauert in den tiefsten Sinnen.

Sie stumm anstaunen ist wie ein Gebet
Und ruhig bleiben wir, zieht sie von hinnen,
Da ewig schön ihr Abbild in uns steht.

Collection: 
1869

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