Bergrosen

1.
Euch im Bergwald wilde Rosen
Weih' ich meinen Liebesbund,
Weil auch ihr zu gleichen Loosen
Wurzelt in dem Felsengrund.

Dornenvoll und doch voll Wonne,
Sorglos, ob ihr dürft, ob nicht, -
Blühet ihr dem Licht der Sonne,
Duftet ihr dem Sternenlicht.

2.
Dich über Wolken tragen,
Du sanftes Kind, für dich
Mein Leben möcht' ich wagen,
Um dir es recht zu sagen:
Ich liebe dich!

Ich möcht' es jede Stunde
Von dir auch hören, sprich -
O sprich von Herzensgrunde
Mit deinem holden Munde:
Ich liebe dich!

3.
Ich küsse dir vom Aug die Thräne,
Die du um mich geweinet, fort,
Ich küsse deinen Mund und wähne,
Ich küsse dir vom Mund das Wort.

Ich küsse deine schöne Stirne
Und deine seidnen Wimpern auch,
Es weht vom Leuchten der Gestirne
Durch Winternacht ein Frühlingshauch.

4.
Harrst auch du dem Tag entgegen
Schlummerlos auf deinem Pfühl?
Welchen wunderbaren Segen
Gibt uns doch das Mitgefühl! -

Brennend klopft des Herzens Wunde,
Dennoch dank' ich dieser Nacht
Für die einzige Sekunde,
Wo auch du an mich gedacht.

5.
Schon wenn ich dir nahe bin,
Ueberfüllt mich, ach, ein Zittern,
Meine Kräfte sinken hin
Wie die Halme vor den Schnittern.

Wenn die Stunde näher rückt,
Wo ich darf dich Stern erwarten,
Singt, so hoch wie ich entzückt,
Eine Amsel in dem Garten.

6.
Wie Lieb' und Freude rein und klar
Aus deinen blauen Augen spricht,
Da leuchten sie so wunderbar
Wie Nacht bei Sternenlicht.

Wer je des Himmels Lichtazur
Am Tage dunkel sah,
Der sah's von höchsten Höhen nur
Ihm selbst, dem Himmel, nah.
(Band 2 S. 115-117)
_____

Collection: 
1871

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    Euch im Bergwald wilde Rosen
    Weih' ich meinen Liebesbund,
    Weil auch ihr zu gleichen Loosen
    Wurzelt in dem Felsengrund.

    Dornenvoll und doch voll Wonne,
    Sorglos, ob ihr dürft, ob nicht, -
    Blühet ihr dem...

  • Noch sprüht des längsten Tages warme Quelle
    Lebendig fort, es wagen sich verstohlen
    Die Träume nur, und nur mit scheuen Sohlen
    Die Sterne durch der Nacht saphirne Schwelle.

    Kaum sank der Abend in die Dämmerwelle,
    Da sucht ihn...

  • Mein Herz, aus goldnen Jugendtagen,
    Aus glücklicher Vergangenheit,
    In grünes Laub ist's ausgeschlagen,
    Da lebt's und athmet, und gedeiht.

    Die Sehnsucht aber, die ich hatte,
    Und mancher wundersüße Traum,
    Sie säuseln...

  • Ich liebte dich, wie konnt' ich schweigen?
    Mein tiefst Gemüth lag frei vor dir;
    Ich wagt' es, dir mich ganz zu zeigen,
    Du aber ließest doch von mir.

    Doch ach, wie konnt ich jemals hoffen,
    Du würdest ruhn an einer Brust,...

  • Frau Venus, Frau Venus,
    O laß mich gehn geschwinde!
    Du bist so schön, so fein und schön,
    Ich muß zum Jagen auf die Höh'n,
    O laß mich gehn geschwinde,
    Frau Venus, Frau Venus,
    Du allerschönste Sünde.

    ...