I.
Lass' schweigen mich
Lass' schweigen mich. Auf meiner Seele Grunde
Liegt ein Geheimniß, für mich selbst nicht klar;
Bezaubert hange ich an Deinem Munde
Und starr' in's Auge Dir bewußtseinsbar.
Ich fühle zitternd nur, daß ich Dich liebe,
Warum, Du schönste Seele, weiß ich nicht;
Das aber weiß ich, ohne Dich verbliebe
Nur Elend mir, und Sterben würde Pflicht.
So lass' mich schweigend lauschen Deinem Munde,
Stumm schwelgen mich in seiner Melodei,
Und das Geheimniß auf der Seele Grunde -
O schone es, o reiß es nicht entzwei.
Lass' ihrer nicht bewußt die Flamme werden,
Die mir noch ungefacht im Busen ruht,
O wolle dieß Geheimniß nicht gefährden,
Denn sieh', ich bebe vor der eig'nen Gluth.
II.
Bist Du mein? Bekennst Du Dich bezwungen?
Unzertrennlich Eines ich und Du?
O wie lange zagt ich, meine Seele
Flog im ersten Augenblick Dir zu.
Lass' mich liegen denn zu Deinen Knieen
Nur auf Deines Kleides letztem Saum;
Lächle nicht. Den Himmel macht es neidisch,
Solch ein Lächeln gönnte er mir kaum.
Fodre! Alles will ich Dir gewähren,
Dich zu schauen selbst dieß Augenlicht,
Leben fodre, meiner Seele Gottheit, -
Nur das Ende meiner Liebe nicht!
III.
Mein Glück
Du neigst bezaubert Dich der Philomele,
Dein Ohr trinkt schwelgend ihrer Lieder Schmerz,
Entzücken streut ihr Wohllaut in die Seele,
Und dennoch bricht in jedem Ton ihr Herz.
Fühlst Du das nicht? So neigst Du Dich beglücket
Zu mir, deß Lied Dein Lächeln oft gekrönt;
O ahne nimmer, daß, was Dich entzücket,
Aus einem todesmüden Busen tönt.
Vergieb, wenn ich den Ton der Lust nicht finde
Zu preisen Dich, von Deiner Huld berauscht,
Ich ahne Sturm im leichten Abendwinde,
Das Gift aus jedem Blumenschooße lauscht.
Das ist mein Glück, daß um mein Glück ich bebe,
Daß halb mir nur erscheinet sein Besitz,
Denn kommt die Zeit, daß ich zurück es gebe,
Wie trüge da mein Haupt den Todesblitz?
IV.
In Deiner Brust
Als Friedenstaube schmückst Du meine Barke,
Du reichst den Oelzweig mir, daß ich erstarke,
Schneeweiße Taube, die mein Gott gesandt.
In Deinem Blick gewahr' ich einen Strahl
Von jenem Stern, der durch das Jordanthal
Die Weisen führte aus dem Morgenland.
Nie liegt Dein Bild mit anderm Bild im Streite,
Mit Herzblut stehest Du auf jeder Seite
Im Buche meines Lebens eingeschrieben.
In Deiner Brust mach ich ein Grab bereit,
D'rein senk' auf ewig ich die Fähigkeit,
Je etwas Anderes als Dich zu lieben.
V.
Leb' wohl
Leb' wohl! Im Herzen stockt das Blut,
Die Brust durchwühlet Todesqual;
Bald Eis auf Eis, bald Gluth auf Gluth
Ruht Mund auf Mund - zum letzten Mal.
Was ineinander sich gerafft,
Reißt auseinander das Geschick;
Die breite Todeswunde klafft,
Drauf heilend fällt kein Engelsblick.
Leb' wohl! Das ist das Grabgeläut,
Das jedes Glück zum Kirchhof schleift.
Jetzt lockt der Tod, der sonst gedräut,
Zum Grabe bist Du schnell gereift.
O Fluch, der auf der Liebe ruht,
Das Märtyrkreuz ist Dein Symbol!
Aufzuckt und zischt der Seele Gluth, -
Und stirbt doch nicht im Lebewohl.
Und stirbt doch nicht! Daß sie nicht stirbt
Das ist der Fluch, das ist der Schmerz;
Das schale Leben buhlt und wirbt
Zumeist um ein gebroch'nes Herz.
Doch färbt das Alter Dich auch weiß,
Stets klingt ein Echo dumpf und hohl:
"Du warst Dein ganzes Leben Greis
Seit jenem einen Lebenwohl!"
VI.
Schwere Stunde
Weine nicht, Du kannst's nicht hemmen,
Deine Thräne ändert's nicht;
Ist's nicht Eins, ob stumm das Herz Dir,
Oder ob's im Nothschrei bricht?
Eine Art Dämonen giebt's, die
Sich von Menschenthränen nährt,
Sie umlechzen jedes Aug', ob's
Ihnen etwa Milch gewährt.
D'rum sei standhaft! Unser Schmerz sei
Viel zu groß, zu heilig Dir,
Daß er irgend wen erfreue:
Niemand schwelg' in ihm, wie wir.
Mir gilts gleich, stößt auch mein Loos mich
In die Hölle jetzt hinaus;
Da ich lag an Deinem Herzen,
Nahm den Himmel ich voraus.
Fleh', daß wir uns nie mehr treffen,
Oder müßt' es doch geschehn, -
Daß wir, ohn' uns zu erkennen
Stumm an uns vorübergehn.