Gaselhen

I.
Ewig mich zu fesseln ringeln Locken sich um Dein Genick,
Die zu Kettenringen schmiedet Deines Auges Feuerblick.
Anmuth leiht Dein Lächeln Jedem, der berühret Deinen Saum,
Kehrt in schwellende Bewegung auch das größte Ungeschick.
Vor Dir lichten sich die Schaaren, wenn Du schwebst in leichtem Tanz,
Staunend weicht des Volks Gewühl Dir, sei es noch so dicht und dick.
Einmal schaut' ich Dich, und schauend schon Dich liebend auch beschloß
An Dein Wort und an Dein Lächeln ich zu ketten mein Geschick.
Jetzt zwar bin ich ungeliebt noch, dennoch leg' zu Füßen ich
Eine Seele Dir voll Sehnsucht, eine Seele voll Musik.

II.
Vor Allen Dich zu schau'n scheint mir erlaubt nur;
Es kehrt nach Deinem Reiz sich überhaupt nur
Mein Blick wie ein Planet zur Sonnenherrin.
Für Dich hat sich der junge Hain belaubt nur,
Und seine Sänger schmettern Dir zum Preis nur.
Die Welt ist todt, an Deine Schönheit glaubt nur
Mein Herz, und nur Dein Anblick gibt ihm Leben,
Das wiederum ihm Dein Entschwinden raubt nur.
Du bringst Musik und Licht. Fliehst Du, so krächzt nur
Die Nachtigall, die Sonne ist bestaubt nur;
Es sprossen Blumen nur da, wo Du schreitest,
Und Sterne flammen um Dein schönes Haupt nur.

III.
Ist es möglich, Deine Liebe
Lohnt Erwählte meine Liebe?
Ach, nun scheint die ganze Welt mir,
Dem Verliebten Eine Liebe.
Sieh, der Kerze Strahl küßt flammend
Aus dem Edelsteine Liebe;
Sommersonne kocht die Traube
Und gebährt im Weine Liebe.
Duftend träumt in Rosenkelchen,
Rauscht durch Cederhaine Liebe,
Zuckt in grellen Blitzesflammen,
Bebt im Mondenscheine Liebe.
Doch Dein Freund will von dem Allen
Einzig Deine reine Liebe,
Da er Dir mit seiner Seele
Legt zu Füßen seine Liebe!

IV.
Ich sprach zu mir: Die Jahre fliehen rastlos,
Und Deine Seele, kindlich einst und lastlos,
Wird trüb und ernst; du siehst den Tisch der Freuden,
Der einst so viel besucht, bald gänzlich gastlos.
Wie viel läßt jetzt mit Schauder Deine Hand schon,
Was sie mit Freudebeben einst erfaßt, los!
Blick auf, es reißt der Wirbelwind der Jahre
Vom Jugendbaum den letzten Blüthenast los:
Und von den Rosen Deines Frohsinns trennet
Sich Blatt um Blatt mit treulos schnöder Hast los.
Drum such' der Liebe Port, sonst treibt deine Schifflein
Im Sturm des Lebens ruder- bald und mastlos!

V.
Steigt beglückter Liebe Phönix aus des Kummers Grüften endlich?
Wiegt Gesang, wo Mißton gellte, sich auf weichen Lüften endlich?
Wird von Dir erhört die Sehnsucht, die zu Deinen Knieen seufzte,
Bis es ihr gelang, das Eis des Stolzes zu zerklüften endlich!
Deine Kälte schmolz in Lächeln, das den Frühling rings beschämet,
Und ich schlinge sel'ge Arme ach, um Deine Hüften endlich!
Um die Wette jauchz' ich mit den lenzberauschten Sprosserchören,
Daß die Rose Deines Mundes schwimmt in Liebesdüften endlich!

VI.
Du sprachst: "Ich schlinge mich um Dich wie Reben,
Mein Blumenarm soll ewig Dich umbeben;
Du bist der Eichenstamm, der Schutz mir leihet.
Raum kann der Stamm zwar vielen Ranken geben,
Die treue Rebe hängt an einem Stamm nur.
Wie fest auch and're sich um Dich noch weben,
So fest, so treu wie ich vermag es keine;
Untreu' ist nur dem Manne zu vergeben,
Denn seine Lieb' ist nur ein Lebensabschnitt, -
Doch Weibesliebe ist ein ganzes Leben!"

VII.
Dein Blick ist's, der mein Herz in Lieb' erblühen macht,
Dein Wort, das mir Genuß aus Todesmühen macht.
Du gehst als Lenz durch's Thal und strömest Liebe aus,
Die blüh'n die Blumen rings, die allzufrühen macht;
Doch arm ist mir der Lenz, seit mir Dein Sonnenkuß
Im Busen tausende von Lenzen glühen macht,
Und meine Lippe, die noch eben stumm und arm,
In Töne mir gelös't und Wohllaut sprühen macht!

VIII.
Es schießt da, wo Du schwebend gehst, die Schönheitspflanze auf,
Der Liebe Falter steigt von ihr in leichtem Tanze auf.
Du schau'st nach Osten, und berauscht von Deinem Anblick steigt
Der schon so schöne Sonnengott in schöner'm Glanze auf.
Nur eine halbe Schönheit trägt die Rose und erliegt
Schnell welkend ihrer Last, Du nimmst siegreich die ganze auf.
Der Frühling ist das Postament, das Deiner harrt, Du steigst,
Geschmückt das schönheitsmüde Haupt mit ew'gem Kranze auf;
Es flocht Dein Dichter Dir den Kranz; sein Tag'werk ist Dein Preis;
Sein Lied hält keines Menschen Groll, nicht Schwert und Lanze auf.
Wir leben Beide ewig fort, denn sterbend steigen wir
Ein flammend Liebesmeteor im Sonnenglanze auf!

IX.
Erquickt mit Feuerweine, o holde Schenken, mich:
Ich will in Rauscheswonne einmal versenken mich!
Von trunk'ner Lippe strömt dann das herrlichste Gedicht,
Und nicht erst lange darf ich darauf bedenken mich.
Hinreißende Gedanken, mit denen Wohllaut schwelgt,
Gebär' ich, wenn des Rausches Gewalten lenken mich;
Ein Psalm auf Dich, Du Sonne, Gesänge, würdig Dein, -
Wirst Du auch endlich würdig dafür beschenken mich?

X.
O sprich, denn wenn Du redest, erfaßt Entzücken mich;
O sprich Musik Du Einz'ge, willst Du beglücken mich.
Ein Wort aus Deinem Munde ist wie ein Blumenstern,
Nach ihm will tausend Male ich freudig bücken mich.
Mein Antlitz lehne schweigend ich an die schönste Brust,
Und Himmelsphantasien, sprichst Du, berücken mich.
Ein einzig Wort, - denn schweigst Du, so fürcht' ich Deinen Groll,
Und grenzenlose Bangniß und Angst zerstücken mich;
Doch ganze Lenze weh'n mir aus Deinem Wort, drum lass'
Von Deinem Munde Rosen der Liebe pflücken mich.
In einem einz'gen Falle nur darfst Du schweigen, - willst
Du unter tausend Küssen an's Herze drücken mich!

XI.
Ich glaube, daß die Seele Raum und Zeit dereinst besingen wird,
Daß nur der Leib dem Tode, nicht die Seele auch erliegen wird:
Daß sie befreit von Erdenstaub, befreit von dieses Körperslast,
Durch ungemess'ne Räume einst auf Engelsschwingen fliegen wird;
Daß sie vergessend jeden Klang, der herb auf Erden sie durchschnitt,
Ein Wohllaut in der Harmonie der Sternenwelt sich wiegen wird.
Ich hoffe, daß mein Geist dereinst mit der Geliebten Geist vereint
Ein Doppelstern am Firmament, an Gottes Brust sich schmiegen wird!

XII.
Wie soll ich meine Gluthen Dir bekennen?
Es hat die Welt kein Wort um sie zu nennen.
In tausend Schmerzenslanzen will ich freudig
Für Dich, ein Winkelried der Liebe rennen.
Nimm hin zu stetem Schmuck mein Lied, mein Herzblut,
Und laß mich einst, wenn uns Dämonen trennen,
Zum Scheiterhaufen thürmend diese Lieder,
Zu Füßen Dir als Opfer mich verbrennen!

XIII.
Schweigend sitz ich Dir zu Füßen, seit die Sonn' im Westen schied,
Und ich sinne Dir zum Preise auf ein wundervolles Lied.
Stolz in dieses Liedes Teppich webe ich der Sterne Pracht,
Flechte ich des Sprossers Seele, welche bebt im weichen Ried.
Deine Blumen werden plaudern, was am meisten Dich entzückt,
Daß es dann, wie Perlenschnüre Dein Gelock mein Lied durchzieht.
Flöten werden dazu klagen, singend tanzt dazu der Quell,
Und Du lauschest d'rauf, mein Abgott, bis die Nacht gen Westen flieht;
Schmolz es dann dahin in Seufzern, - o versage länger nicht,
Was kein Wort zwar noch genannt hat, aber jedes Wort verrieth!

Collection: 
1860

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