Auf die Verlorne

Zum letzten Mal an dieser Stelle,
Zum letzten Mal in diesem Haus!
Schuldlos betrat ich diese Schwelle,
Jetzt stößt man schuldig mich hinaus.

Leb' wohl, und spare Deine Thräne!
Ich fühle selbst, daß ich's nicht werth;
Du warst die zitternde Phaläne,
Die Flamme ich, die Dich verzehrt.

Weh' beiden uns, daß Dir gefallen
Vom Haupt der Myrthe keusche Zier!
Es ist ein Loos, gemeinsam Allen, -
Und doch, o Gott, warum auch Dir?

Warum durch mich? Wer will ermessen
Die Reue, die mich jetzt zerstört, -
Und dennoch kann ich nicht vergessen
Die Lust, da Du mir ganz gehört.

Es lodert wild empörtes Zagen
Nach Deinem Reiz in meiner Brust,
Und dennoch muß ich stets mir sagen:
Im Vollbesitz lag der Verlust.

Wär' eher ich hinweggetrieben,
Gebrochen wäre zwar mein Herz;
Das aber, was mir jetzt geblieben,
Das ist der Tod, ist nicht mehr Schmerz.

O wären wir im Rausch gestorben!
Jetzt ist die karge Glückeszeit,
Der kurze Taumel uns erworben
Durch eine Höllenewigkeit.

Und hätt' als Preis ich tausend Leben,
Als Preis an Deines Kranzes Statt:
Ich würde sie mit Jauchzen geben,
Ein Leben für ein jedes Blatt!

Collection: 
1860

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