Josephine

I.
Ihr Kleidchen ist von Tarlatan,
Ihr Herzchen ist von Golde;
Ich bete, ich bete das Mädel an,
Ihre Guckaugen haben mir's angethan,
Josephine, Sephine, du Holde!

II.
Wenn sie lacht, wenn sie lacht,
Ist der Himmel erwacht,
Gottvater singt selbst zum Lobe
Ein Lied, das er selber gemacht:
Seffi,
Ach stelle mich nicht auf die Probe.

Sonst werd ich frivol,
Daß der Teufel mich hol,
Und mache mich, dir zum Preise,
Wie Zeus auf die Lumpenreise.
Gottvater singt's im tiefsten Baß,
Ihm werden beide Backen naß
Vor lauter Liebesthränen.
Sie aber streicht die Backen mir,
Sie aber kraut den Nacken mir
Und thut sich an mich lehnen.
Seffi!

III.
Der Himmel ist blau, das Wetter ist schön,
Madame, wir wollen spazieren gehn!
Da ist sie dabei!
In den blühenden Mai
Aussegeln wie Frühlingsregatten wir Zwei.
Wie Blütenschnee ihr Kleid so klar,
Ein Blumengarten ihr Strohhut war,
Ein moosgrün Band vom Hute hing,
Wie Wimpelwurf im Winde ging.
Recht wie ein schwarzer Würdebär
Ging neben der Fee mein Leibrock her.

Wie wunderbar
Der Maitag war!
So frisch, so hell, so kühn, so jung,
Wie Kinderglückserinnerung,
Und so voll Liebe und Heiligkeit;
Ach, kranke Welt, wie bist du weit,
Weit von uns fern mit deiner Gier,
Mit deinem Haß, mit deinem Streich, -
Wir seligen, seligen Kinder wir!

IV.
Und es senkt sich die Nacht.
Kühle Winde, blasse Sterne.
"Du, hast du mich gerne?"
Und sie küßt mich und lacht.

Und wir gehen nach Haus.
Alle Menschen schon schlafen.
Die Fregatten im Hafen …
Und die Lampe löscht aus.

Aus: Otto Julius Bierbaum – Irrgarten der Liebe.
Verliebte launenhafte und moralische Lieder
Gedichte und Sprüche aus den Jahren 1885 bis 1900
Im Verlage der Insel bei Schuster und Loeffler Berlin und Leipzig 1901 (S. 49-51)

Collection: 
1885

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