Morgengang

Die Liebste ging beim frischen Hauch'
Der Morgenluft spazieren,
Mit Blumen, wie es Mädchenbrauch,
Sich Haar und Brust zu zieren.

Die Rose sprach: "Nicht hab' ich Lust,
Den Tod schon zu erwerben;
Doch muß es sein, an deiner Brust
Wär's minder hart zu sterben."

Die Nelke sprach: "Und müßt' ich je
Das junge Leben enden,
So wünscht' ich mir, daß es geschäh'
In deinen lieben Händen!"

Der Frühling sprach: "O raube nicht
Die Kinder, mein Entzücken -
Du bist so schön von Angesicht,
Was brauchst dich noch zu schmücken?"

Collection: 
1864

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  • Ich soll von meiner Reise
    Erzählen dir, mein Kind? -
    Nach alter Dichterweise
    Zur Sache denn geschwind!

    Bei all' den blauen Seen
    Hab' ich an dich gedacht,
    Sah dich als Rose stehen
    In öder Gletscherpracht...

  • Wie muthest du mich wieder an,
    Du Heimat, schön und traut!
    Ist schöner, als ich sagen kann,
    Auch viel, was ich geschaut.

    Gebirg und Hügel, Wald und Stadt -
    Wie Alles so beredt!
    Und jeder Weg und jeder Pfad...

  • Es kommt der Bach mit Rauschen
    Gezogen durch die Nacht,
    Wie lang' ich auch mag lauschen,
    Kein and'rer Ton erwacht.

    So zieht nur Ein Gedanke
    Jetzt durch die Seele mir:
    Daß mich so manche Schranke
    ...

  • Beginnt noch kaum zu tagen,
    Die Sterne löschen aus,
    Es rollt mein Reisewagen
    Zum Städtchen frisch hinaus.

    Zum Thor' hinaus und weiter
    Hinauf die Pappelallee -
    Schon glänzt im Morgengrauen
    Zur Seite mir...

  • Ob ich bleibe? ob ich gehe?
    Ach! wie ist die Wahl so schwer!
    Traulich ist's in deiner Nähe,
    Lockend blickt die Ferne her.

    Sei es denn, wie ich's beschlossen,
    Ehe dich mein Auge sah, -
    Liebe wird im Herzen sprossen,...