Mai im Jenner

Am 16. Jan. 1837
An Elise Crusius, geborene W.

Außen Leben, Leben drinnen! -
Will in wolkentrüben Tagen
Uns das Außen nicht behagen,
Flüchten wir uns schnell nach Innen.
Mag dann Frost auch außen starren,
Oedes Schweigen trübe Nacht;
Innen ist ein Mai erwacht
Und wir können ruhig harren.

Tage gibt es noch auf Erden,
Die aus innerm heil'gen Triebe,
Angeweht vom Hauch der Liebe,
Warme Lenzestage werden.
Wenn an einem solchen Tage
Jubel aus der Tiefe schallt,
Ist es mehr, als ob im Wald
Nachtigall und Finke schlage.

Blumen keimen, werden Kränze,
Strahlen, die aus innen stammen,
Werden Sterne, werden Flammen,
Und der Winter wird zum Lenze!
Süße Wandlung! heute wieder,
Schönstem Maientage gleich,
Senkte, hell und blüthenreich,
Solch ein Jennertag sich nieder.

Heil dir, lieber Tag! O grüße,
Grüße sie mit unserm Segen,
Mit der Freude Maienregen
Ueber ihre Paradiese,
Mit der Liebe Blüthensternen,
Mit der Freundschaft Bundeskuß,
Mit der Nahen Herzensgruß,
Mit dem Herzensgruß der Fernen!
(Band 2, S. 32-33)

Collection: 
1843

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