LVIII. (58)
1. Die sonne ist verblichen,
die stern seind auffgangen,
Die nacht die kömpt geschlichen,
fraw nachtigal mit jrem gesang.
Der mond ist auffgegangen,
red sich ein wechter gut,
und welcher hat verlangen
und ist mit lieb umbfangen,
der mach sich bald auff die fart.
2. Und das erhört ein geselle,
er schrey dem wechter zu,
Ach wechter, traut geselle,
gib deinen raht darzu.
Wie ich das sol angreiffen,
das ich kom für liebes thür,
gar heimlich soltu schleichen,
ehe der wechter hebt an zu pfeiffen,
das man dich gar nit spür.
3. Der knabe trat unverborgen,
für jhr schlaffkemmerlein,
Er sprach zu jhr mit sorgen,
zart schönes jungfrewlein.
Newe mär wil ich euch sagen,
da ist kein zweiffel an,
es ligt sich einer im hage,
der führt so schwere klage,
es mag ewer bul wol sein.
4. Die jungfraw sprach mit sinnen,
es hat dich sonst gedeucht,
Der mond hat mir geschienen,
die stern mir geleucht.
O zartes jungfrewlein,
er ligt in grüner awe,
sein leib ist jm zerhawen
in grossen trawren zwar.
5. Die jungfraw erschrack sehre,
jr hertz war leidens vol,
Sie wolt keine freud mehr hören,
die botschafft gefiel jr nit wol.
Ein hemd thut sie umbschnüren,
ein hembdlein, das war weis,
den knaben sie erblicket,
jr hertz für freud erquicket,
begert jr mit gantzen fleis.
6. Der knab der thet sich schmücken,
gar freundlich an jr brust,
Sie thet den knaben trucken,
mit jrem freundlichen kus.
Der knab fieng an zu ringen,
mit der jungfrawen zart,
der wechter auff der zinnen,
fieng an ein lied zu singen,
ein schöne tageweis.
7. Gesegen dich Gott im hertzen,
zart edels frewlein,
Du bringst meinem hertzen schmertzen,
es mag nicht anders sein.
Von dir mus ich mich scheiden,
zart edels frewelein,
ich schwing mich über die heiden,
in braun wil ich mich kleiden,
durch feyel und grünen klee.