Lieder aus verschiedenen Zeiten

I.
Entzieh' Dich länger nicht der Liebe,
Es ruft die Welt: o liebe, Herz!
In jedem Knosp'- und Blättertriebe,
In jedes Schmetterlinges Scherz.

Wie lieblich ist doch Lieb' im Lenze!
Des Abendroths erhöhter Glanz
Schlingt seine vollsten Rosenkränze
Nur um verliebter Mädchen Tanz.

Es giebt ein Knospen und ein Singen,
Die Erde dehnt sich weit und breit,
Als wollte ihr die Brust zerspringen
Vor lauter Liebesseligkeit.

Und Millionen Blumen keimen,
Durch die ein zärtlich Seufzen zieht,
Die Erde ist in bunten Reimen
Ein einzig, einzig Liebeslied.

D'rum sei die Brust nicht länger kalt Dir,
Das Weltall predigt Liebesscherz:
Erobr', und sei es mit Gewalt, Dir
Für Deine Gluth ein fremdes Herz.

II.
Schau in den Bach, wie er entflieht,
Wie Welle sich um Welle bricht,
So viel Dein Aug' auch niedersieht,
Stets ist's ein anderes Gesicht.

Und seh' ich in das Antlitz Dir
Bei Gott, da ist es eben so;
Bald lächelst Du, bald grollst Du mir,
Bald bist Du trüb', bald wieder froh.

Es ist ja nur auf kurze Zeit, -
Und doch bin ich gedankenvoll,
Ob Deine Launenhaftigkeit
Ich mir zu Herzen nehmen soll.

III.
Du sag'st, ich sei für Dich zu düster,
Und finster wär' ich wie die Nacht,
Du aber sei'st der Tag, der lustig
Im Sonnenjubel scherzt und lacht.

Und wär' es so, und wär'st der Tag Du,
Und ich die Nacht, schwarz wie der Tod:
So lass' uns in einander fließen,
Das giebt das schönste Morgenroth!

IV.
Weil stets Du zwangst zu lieben,
Wer einmal Dich geseh'n,
Fühlt' ich mein Herz getrieben
Dir stolz zu widersteh'n.

Ich nahte Dir eiskalt mich.
Da traf Dein Blick so tief,
Und traf mit der Gewalt mich,
Daß all' mein Stolz entschlief.

Was ich in ihm gelesen,
In diesem einen Blick,
Das hat mein ganzes Wesen
Durchdrungen wie Musik.

Ich folgte höher'm Triebe,
Mein Haupt hab' ich entblößt:
In Demuth, Sehnsucht, Liebe
War all mein Stolz gelöst.

V.
Du Liebling meines Lebens,
Wie nenn' ich Dich so oft, -
Vergebens, ach vergebens
Hab' ich noch stets gehofft.

Wohin ich geh' und spähe,
Allüberall Dein Bild,
Und nur durch Deine Nähe
Wird all' die Gluth gestillt.

Bald freudvoll, bald voll Klage.
Bald wieder hoffnungsvoll, -
Sag', Du mein Herz, o sage,
Was daraus werden soll.

VI.
Und Du sagst, es sei die Brust Dir
So erschüttert und so voll, -
Schweig', o schweige, wenn vor Lust mir
Nicht die Seele brechen soll.

Deine Liebe zu gewinnen
War dereinst mein schönster Traum,
Doch mein Schicksal ruft von hinnen,
Und zu bleiben wag' ich kaum.

Wolle darum nicht ermuthen
Meiner Sehnsucht sterbend Ach;
Lass' in Zweifeln mich verbluten,
Rufe nicht die Hoffnung wach,

Denn Dein Anschau'n zu vermissen,
Da Du kalt bist, bringt's schon Noth, -
Doch von Dir geliebt sich wissen
Und zu flieh'n, das bringt den Tod!

VII.
Vergieb, wenn ich dem kleinen Liede
So große Liebe anvertrau,
Bespiegelt doch der ganze Himmel
Sich in dem kleinsten Tröpfchen Thau.

Sagt oft ein Blick, ein Händedrücken
Viel mehr wie tausend Worte nicht,
Und weißt Du nicht, daß dem Entzücken
Es meist an Tönen ganz gebricht?

D'rum fühle ganz die große Liebe
Auch in des kleinsten Liedes Laut,
Dann wird mein winzig Herz zum Tropfen,
Darin der ganze Himmel blaut.

VIII.
Als uns Gott zusammenführte,
Hast Du Neigung mir gespendet,
Und es hat nach Dir in Liebe
Sich mein ganzes Sein gewendet.

Ob auch scheinbar noch die Triebe
Ungeweckt im Busen schliefen,
Bebte doch die ganze Seele
Schon in ihren tiefsten Tiefen.

Daß ich nimmer dies Ergeben,
Diese Liebe nie bereue,
Eine Du dem Augenblicke
Auch der Zukunft feste Treue:

Denn daß Liebe Du gespendet,
Dünkt mich nur des Zufalls Gabe,
Wolle Treue mir gewähren,
Daß ich Dich zu preisen habe.

Und so will ich, wie dem Zufall
Jetzt ich danke, Dir dann danken,
Daß Du mir durch Deine Treue
Glück gewähret ohne Schranken.

IX.
Sprich ein Wort nur und erlabe
So die durst'ge Seele mir;
Was ich bin, und was ich habe,
Es ist Alles ja von Dir.

Wird auch nicht vergönnt uns Beiden
Unser Leben uns zu weih'n,
Lasse wenigstens uns leiden,
Sterben uns für uns allein.

X.
Du weisest von Dir meine Liebe,
Und meiner Lieder spottest Du;
Du willst es so, und traurig schließt sich
Die wohllautvolle Lippe zu.

Könnt' ich statt in Musik und Rede
Verströmen meines Herzens Blut
In Blumen schön wie Blumenträume,
Wie aufgeküßt von Mährchengluth!

Der Ewigkeit wollt' ich entsagen,
Verzichten auf des Ruhmes Kranz,
Könnt' ich nur einmal diese Blumen
Vermählen Deiner Locken Glanz.

Du würdest mir vorüberschreiten,
Und ganz und voll wär' ich beglückt:
Ich hätte ja mit meinem Leben,
Mit meiner Seele Dich geschmückt!

XI.
Kein Hauch, kein Seufzer, kein klagendes Wort
Entwalle fürder der blutenden Brust;
Nie falle mein Auge auf Dich hinfort
Stets wieder zu fühlen, wie groß mein Verlust.

Kein Wort, kein Seufzer, - doch hinderst Du nicht,
Daß tief in dem Busen ein jeglicher Schlag
Des verarmten Herzens von Liebe spricht,
Für Dich nur beben und zittern mag.

Daß es Dir lebe, Du hast es verwehrt,
Doch daß es für Dich, Du Strahlende, bricht,
Daß es Dich segnet und noch Dich ehrt,
Da Du es zertrittst, - das wehrest Du nicht.

XII.
Tausend Thränen sind geflossen,
Und es konnte doch gescheh'n:
Die ich eben noch umschlossen,
Konnte treulos von mir geh'n.

Ein Besitzthum soll ich missen,
Welches ewig ich geglaubt;
Ahnt' ich nur, was es entrissen,
Was es mir so jäh geraubt.

Sieh, o sieh in meine bleichen
Mienen, d'raus das Elend spricht,
Ach und lasse Dich erweichen,
Und nur jetzt noch gehe nicht.

Aber nein, - vergieb mein Klagen,
Wird es mir auch noch so schwer:
Dennoch sei's, ich will entsagen,
Denn was hilft's? Du liebst nicht mehr.

Todte Liebe neu erschließen
Kann kein Schmeichelwort, kein Fleh'n;
Tausend Thränen mögen fließen, -
Doch was muß, das mag gescheh'n!

XIII.
Nur ein Moment ist es gewesen,
Und dennoch schlug er solche Wunden,
Daß sie in Tagen nicht und Stunden,
Daß sie in Jahren kaum genesen.

Und wird auch einst auf's Neue blauen
Der Himmel, kann das mich erheben?
Muß nicht fortan mein Auge beben
Je wieder in das Licht zu schauen?

XIV.
So kann ich mich von Dir nicht trennen,
Vernimm, vernimm ein letztes Wort:
Die Lippe glüht Dir zu bekennen,
Daß ich Dich liebe fort und fort.

Nicht hab' ich Deine Huld besessen,
Du siehst mich ohne Kummer geh'n, -
Fahr' hin, nie werd' ich Dich vergessen,
Doch auch Dich niemals wiederseh'n.

Und daß Dir's nie an Liebe fehle,
Sonst fällt vielleicht, wenn auch erst spät,
Es doppelt schwer auf Deine Seele,
Daß meine Liebe Du verschmäht.

XV.
Da wir von einander gehen,
Wolle Eines mir gewähren,
Woll' in diesen heißen Zähren
Meine heiße Liebe sehen.
Immer hatte ich geschwiegen,
Immer hoffte noch mein Herz
Dieses Nichtgeliebtseins Schmerz,
Diese Liebe zu besiegen.

Doch umsonst hab' ich gerungen
Durch die schlummerbaren Nächte,
Dieser Liebe Riesenmächte
Nimmer hab' ich sie bezwungen;
Denn im Wangen-Rosensammet,
In den Augen sonnenhaft
Ist die stärkste Leidenschaft
Stets auf's Neue mir entflammet.

Dieses Glück, das ich besessen
Dich zu schau'n, werd' ich's entbehren?
Oder wird mich Trennung lehren
Deine Anmuth zu vergessen?
Ach, mein Schicksal ist erbittert,
Trennung hatt' ich oft erfleht, -
Da Dein Fuß nun wirklich geht,
Zuckt mein tiefstes Herz und zittert.

XVI.
Kannst Du je mich wieder lieben,
Kannst Du jemals mir verzeih'n?
Ach, nur Schmerz ist mir geblieben
Und der herbsten Reue Pein.

Blinder Wahn hat mich getrieben
Und Verdachtes falscher Schein,
Doch er mußte schnell zerstieben,
Seit Du fort, und ich allein.

O wo ist mein Trotz geblieben,
Dem ich lieh des Rechtes Schein?
Sehnsucht hat ihn schnell zerrieben,
Sehnsucht ach nach Dir allein.

Tausend Bände, sie beschrieben
Kaum Dir meiner Reue Pein.
Meine Seel' ist aufgerieben, -
Bald auch wird's mein Leben sein.

XVII.
Nur allzuschnell hat sie geendet
Die Zeit, die Rosen Dir gebracht,
Das Glück hat treulos sich gewendet,
Und hatte doch so schön gelacht.

So tröste Dich, und mußt Du hegen
Etwas im zärtlichen Gemüth,
So wolle treu die Dornen pflegen,
D'ran Deine Rosen einst geblüht.

Es giebt ja keinen Kummerlosen
Mein Kind, es ist ein altes Leid:
Für Stunden blühen nur die Rosen,
Die Dornen für die Lebenszeit.

XVIII.
Verschwunden sind sie und verwunden,
Wohl schneller, als ich selbst gedacht,
Der wärmsten Liebe sel'ge Stunden,
Der herbsten Reue bitt're Nacht.

So manches Unheil konnt' ich meiden,
Vergrößern konnt' ich manches Glück,
Ich fühl' es tief, und selbst der Leiden
Denk' ich mit Rührung nur zurück.

Noch habe ich sie nicht vergessen
Der Seufzer und der Thränen Schaar, -
Doch jetzt erst kann ich ganz ermessen,
Wie ich so selig thöricht war.

XIX.
In geheimer Abendstunde,
Wenn verrauscht des Tages Lauf,
Schließt sich mir die alte Wunde
Dann und wann auf's Neue auf.

Vor der Seele schwebet wieder
Jener seelenvollste Blick,
Jene marmorschönen Glieder
Und die Stimme wie Musik.

Und mir ist's, als müßt' ich reißen
Einmal, einmal noch empor
An den Busen, an den heißen,
Was ich gänzlich doch verlor.

Ach umsonst! In Nacht verschweben
Muß das Dämmerungsgesicht.
Alles läßt sich neu beleben,
Nur erlosch'ne Liebe nicht.

XX.
(An ein Packet Briefe, von blauem Bande zusammengehalten)
Mit Schmerzen hatt' ich sie geliebet,
Euch Briefe hatte sie gesandt.
Vorbei ist Alles, ihr nur bliebet
Und du verblich'nes, blaues Band.

Ich mußte meinem Gram gewähren;
O Zeit, wie warst du wunderbar,
Da süßer mir des Kummers Zähren,
Als je der Hoffnung Jauchzen war.

XXI.
Ich will vor Andern mich verschließen,
Und schweigen in geheimem Schmerz;
Kein Ton soll von der Lippe fließen,
Es scheine marmorkalt dies Herz.
Was können And're mir erwiedern?
D'rum werde nie die Klage laut,
Nur sanften und verschwieg'nen Liedern
Sei sie geheimnißvoll vertraut.

Für alle Freuden, die da starben,
Ein Lied, das sie noch dankend nennt,
Dies sei mein Balsam für die Narben,
Darunter noch die Wunde brennt.
Und ist die Zeit nur erst vergangen,
Kommt auch der alte Sinn zurück,
Denn daß wir stets im Wechsel hangen,
Das ist ja unser wahrstes Glück.

XXII.
Welke Kränze
Früh're Wonne mag Dich weiden,
Dich erlab' entschwund'ne Lust,
Das giebt Kraft der müden Brust
In dem gegenwärt'gen Leiden.

Deiner Jugend frohe Tänze,
Ach, das Leben schont sie nicht,
Und des trüben Auges Licht
Fällt nur noch auf welke Kränze.

Welke Kränze! Und es flimmern
Ihre Blätter bunt nicht mehr,
Ob auch Tropfen groß und schwer
In den dürren Kelchen schimmern.

XIII.
Asphodele
Jetzt hab' ich lang genug geschlafen,
Das Schicksal ruft, es schwillt mein Herz;
Fahr' wohl, du schirmend sichr'rer Hafen,
Zurück in's Meer, zurück zum Schmerz!

Nach jähen Gluthen lechzt die Seele,
Nach Leidenschaft und Todesqual:
Komm', sündhaft-schöne Asphodele,
Und führe mich zum Bachanal!

Umfange mich mit Gluthgekose,
Indeß im Herzen Falschheit sitzt,
Flicht in die Locken mir die Rose,
Indeß ihr Dorn die Schläfe ritzt.

Denn ich begehre nach Liebeselend,
Nach Eifersucht und ew'ger Noth,
Nach Küssen mordend und beseelend,
Nach Nächten voll Genuß und Tod.

Du bist die Richt'ge! Nimm mein Leben,
Brich es, und dieses Herz dazu.
Es ist im Voraus Dir vergeben,
Wohlan, hier ist's, - was zauderst Du?

XXIV.
Nun fülle den Becher und leer' ihn zum Grund,
Das macht die verwundete Seele gesund.
Vergessenheit schäumt in dem gold'nen Pokal,
Zutrinke ihn Deinem Genossen, der Qual.

Denn glücklich ist nur, wer sich selber belügt,
Und sein Herz, das nach Gott schreit, mit Taumel betrügt;
Der, wenn er erlischt, kaum wissen noch mag,
Ob er länger gelebt als den einzigen Tag!

XXV.
Und Du warst krank, und ich war fern,
Ich kniete nicht an Deinem Lager;
In Nebel hüllte sich Dein Stern,
Bleich ward die Wange Dir und hager,
Und ich, o Qual, ich weilte fern;
Nicht war ich da Dich zu ermuthen,
Zu kühlen Deiner Stirne Gluthen!

Du rangst im Tod, - und ich war fern,
Hin schwärmt' ich auf des Rausches Wegen.
O Reuepein! Jetzt möcht' ich gern
Mein Haupt für Dich auf's Kissen legen,
Und ob ich Dir auch noch so fern,
Hinflieh'n mit wunden, blut'gen Füßen,
Um Deine Leiden zu versüßen.

Du Theurer starbst, - und ich war fern,
Ob ich Dir Treue auch gelobte.
Du meiner Jugend Stolz und Kern,
Den ich so tausendfach erprobte,
Du starbst, und ich? Ich war zu fern -
Stumm über Deinem Bett zu hangen,
Dein letztes Seufzen zu empfangen.

Sie senkten Dich in's Grab, mir fern.
Nicht legt' ich Dich in's schmale Bette,
Nicht flehte ich für Dich zum Herrn,
Nicht schlang ich eine Blumenkette
Um's bleiche Haupt, - ich war ja fern.
Nicht fiel von mir mit Schmerzgeberde
Auf Dich die erste Hand voll Erde.

Du starbest sanft. Ob ich auch fern,
Mit Sehnsucht hast Du mich verlangt,
Nacht hüllte Deines Geistes Stern,
Dein Herz hat doch nach mir gebangt;
Nach mir gebangt, - und ich war fern!
Vergieb, ein Platz an Deinem Grabe,
Das ist forthin all' meine Habe.

Collection: 
1860

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