Leda

Mein Fenster ist im Dunkel aufgetan
Und meine Seele aufgetan mit ihm.
Ich seh den Sternenkranz der Cherubim
Und warte auf den Schwan.

Der Nachthauch irrt um Lager und Gestühl
Und tastet an mein schauerndes Gewand
Und streicht mit kaltem Finger meine Hand;
Mein Fuß ist nackt und kühl.

Ich habe nicht den Tag, der eben blich,
Den Morgen und den Abend nicht erkannt;
Ich ging in Zimmern. Doch mein Wesen stand
Und rief die Nacht und dich.

Ich rufe dich. Ich klage nach dir stumm.
Ich sehne mich. Und wage keinen Schrei.
Sonst stürzte Neugier, Staunen, Zorn herbei;
Nun schlummert das ringsum.

Wo weilt der Teich, da blasse Rosen sind?
Wo glimmt die Tiefe, da du Silber schürfst,
Der mondgemischte Tropfen, den du schlürfst,
Raunt taubenblauer Wind?

Der meines Glückes glühnde Schmerzen trägt,
Dein stolzer Nacken windet sich und sinkt . .
O Stunde, da dein Flug, der schneeig blinkt,
An schwarze Himmel schlägt!

O Stunde, da du rauschend niederziehst,
Auf meine Brüste weicher Flaum sich senkt,
Da um die Liebe, die dir bebend schenkt,
Du reine Flügel schließt!

O komm. O komm. Mein Kelch ist aufgetan
Und badet, schwer von Demut und von Duft,
Sich blühend in der winterklaren Luft
Und wartet auf den Schwan.

Collection: 
1960

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