An Dieselbe
Es steigt ein Quell aus tiefem Schacht
Und spiegelt sich im Licht,
Und Niemand weiß, was von der Nacht,
Die Wieg' ihm war, er spricht.
Mir aber ach! - wenn Jemand fragt -
Ward's kund zur Osterzeit;
Da hat es mir ein Nu gesagt,
Ein Nu voll Glück und Leid. -
Da unten in der Tiefe Grund,
Da schließen, fern dem Blick,
Geheime Mächte ihren Bund
Und weben Weh und Glück.
Da steht die Goldfee am Gestein
Und klopft an's Felsenhaus
Und mit dem trügerischen Schein
Zieht Lust und Leid hinaus.
Da kniet am Herd der Gnom' und schürt
Die Kohlen auf zum Dampf,
Und mit den Elementen führt
Der Mensch nun seinen Kampf.
Da sitzt und spinnt für nächt'ge That
Ihr Netz zu aller Frist,
Behend und rührig zum Verrath
Die wahre Frauenlist.
O Männer, Männer, seht euch für!
Verderben ist zur Hand;
Da lauscht Verrath an jeder Thür;
Rings ist das Netz gespannt.
Traut nicht dem Knöspchen, das noch scheu,
Kaum auf sein Aeuglein schlägt;
Traut nicht dem Quell, den jung und neu
Die Luft nach oben trägt!
Ein Knöspchen sucht' ich da und dort,
Ob Lenz nicht wolle nahn;
Ich späht' und ging von Ort zu Ort -
Ach! hätt' ich's nicht gethan!
Denn unfern sprang so klar und hell
Und wie die Unschuld, rein,
In trunkner Lust ein Zauberquell,
Und mich ach! lockt der Schein!
Und kaum war ich dem Quell genaht
Mit arglos keckem Fuß,
Da warf sein Goldnetz der Verrath -
Mich fing ein holder Gruß.
Ein holder Gruß - so klang's fürwahr -
Und doch voll Bitterkeit!
Drum theilte gleich sich wunderbar
Mein Herz in Lust und Leid.
Ich pries den steigenden Krystall
Und zürnt ihm wieder drauf;
Denn ach! wie er, kam ich zu Fall!
Und war erst obenauf.
Doch weiß ich einen andern Quell,
Der sanft durch Blumen rinnt,
Der immer klar und immer hell,
Auch wenn er Listen sinnt.
Er trägt, wie ein krystall'ner Schrein,
In sich nur Süßigkeit.
Die Götter mögen mit ihm sein,
Mit ihm zu aller Zeit. (Band 2, S. 34-36)