Es war ein Traum

Mir träumte einst von Neujahrsglockenklang,
Er stieg wie Jubelklang empor zur Höh', -
Der Fluß lag still in flimmernd Eis gebannt,
Und Wald und Flur bedeckte tiefer Schnee!
Und aus des Winters Flockenbett hervor,
Im kalten, öden, trüben Erdenraum,
Da blühten Rosen frühlingsgleich empor -
Es war ein Traum!

Dann träumte mir, daß er gezogen kam,
Er, meinem Dasein hell, kometengleich,
Wie wenn ein Meteor aufflammend strahlt,
Ich jubelte, an Glück und Lieb so reich.
Er brach die Rosen, winterlich bethaut,
Zu meinem Schmuck vom weißen Waldessaum,
Er küßte mich, und nannt' mich seine Braut -
Es war ein Traum!

Ein schriller Ton voll Leid, voll Weh und Schmerz
War das Erwachen! - Daß so früh es kam!
O, daß die Rosen frosterstarrt im Schnee
Hinwelkten, das Geschick mir Alles nahm!
Daß alles Glück hinsterben muß so schnell,
Daß alles Glück nur Trug im Weltenraum -
Ström' hin, mein Herz, in deiner Lieder Quell,
Es war ein Traum! - -

Aus: Tropfen im Ocean
Dichtungen von Eufemia Gräfin Ballestrem
Dresden C. Pierson's Buchhandlung 1878

Collection: 
1878

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