Dichterschmerz

Die wunde Hinde flieht zum Wald,
Daß einsam sie verschmachtet,
Wo nichts als ihr Geächz erschallt
Und tiefer Schatten nachtet.

Der Tiger, dem der Sehne Schwung
Den Todespfeil gesendet,
Erhebt sich in gewalt'gem Sprung
Und stürzt - und ist verendet.

Und in die Wellen taucht der Schwan,
Blut rötet sein Gefieder,
Zurück auf seine lichte Bahn
Trägt nur der Tod ihn wieder;

Da aber, wo ein Menschenherz
In dunklen Weisen flutet,
Da wisse, daß der Dichterschmerz
In Liedern sich verblutet!

aus: Deutsche Dichterin[n]en und Schriftstelerin[n]en
in Wort und Bild
Herausgegeben von Heinrich Groß
II. Band Berlin 1885

Collection: 
1888

More from Poet

  • Die Erd' ist voll Blumen, der Himmel voll Sternenlicht -
    's Wär doch ein Wunder, ich liebte mein Mädchen nicht!

    Die Sterne erbleichen, und kurz ist der Mai -
    's Wär doch ein Wunder, ich bliebe ihr treu!

    aus: Deutsche Dichterin[n...

  • Als ich durch grüne Matten
    Zu Liebchens Haus geschlüpft,
    Ist fröhlich auch mein Schatten
    Mir weit voraus gehüpft.

    Als wir geküßt uns hatten
    Und 's mußt' geschieden sein,
    Schlich traurig selbst mein Schatten...

  • Die wunde Hinde flieht zum Wald,
    Daß einsam sie verschmachtet,
    Wo nichts als ihr Geächz erschallt
    Und tiefer Schatten nachtet.

    Der Tiger, dem der Sehne Schwung
    Den Todespfeil gesendet,
    Erhebt sich in gewalt'gem...

  • Komm aus dem Thal, steig von der Höh -
    Und welchen Pfad dein Fuß genommen,
    Du bist mir tausendmal willkommen!

    Komm jung und froh, komm alt und trüb,
    Bring Schmerz und Leid, bring Lust und Lieb -
    Das mache nie dein Herz...