Dichterliebe

Ihr, die ihr einen Dichter elend macht,
Seid nicht so stolz auf euer Schönheit Macht!

Ihr seid oft nur die Form, in welche wild
Sein heißes Glockenherz der Liebe quillt,

Die Form, in die er glühend alles gießt
Wovon sein Herz, sein volles, überfließt.

Wohl gebt ihr, weil ihr selber hart und kalt,
Erst seiner Sehnsucht Grenze und Gestalt

Und bändigt seines Geistes Feuerschwall
Und härtet ihn zum tönenden Metall -

Doch wenn er sich einmal zum Himmel schwingt
Und all sein Weh und Glück im Liede klingt,

Dann ist schon längst erloschen seine Glut
Und längst erkaltet jene heiße Flut.

Euch, seiner Liebe Form, zerbricht die Zeit.
Doch was er schuf, gehört der Ewigkeit.

Collection: 
1905

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