Der Dichter

Zwei Sorten von Verliebten trägt die Welt:
Phantast'sche Schwärmer, Narren, sind die einen,
Die andern gleichen ganz und gar den Schweinen.
Jedoch im Dichter sind die zwei gesellt!
Dem schenkte Gott ein Herz, so groß und reich,
Daß er ein Narr ist und ein Schwein zugleich.

Der schräge Flug, mit dem er aufwärts zieht,
Schleift eine Schwinge unten tief im Schlamme,
Derweil die andre oben in der Flamme
Des Sonnenballs wie flüss'ges Gold erglüht.
Der ist kein Dichter, dem nicht Erdenkot
Den Flug beschwert so gut wie Sonnenrot.

Im Gleichmaß bleiben ist der Schwachen Kunst.
Die tiefste Nacht ist bei den hellsten Kerzen.
Es glüht das Fleisch nach dem erglühten Herzen,
Der innren Liebe gleicht die äußre Brunst
Und baut sich aus nach ihrem innren Bild,
Wie mit dem Nußkern seine Schale schwillt.

Ich bin ein Dichter und ein junger Mann.
Was also wundert dich mein Glühn und Drängen?
Wie könnt' mein Herz so heiß an deinem hängen,
Hing nicht mein Fleisch auch deinem Fleische an?
Drückt sich mein Haupt dir in den Schoß hinein
Weiß ich gewiß: Als Schwärmer und als Schwein
Hab' ich dich lieb und mag ohn' dich nicht sein! —

aus: Die singende Sünde
Neue Gedichte von Georg Busse-Palma
Albert Langen Verlag für Litteratur und Kunst
München o. J. [1903]

Collection: 
1903

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