Das Haar

Ich will mein Haar nicht stümmeln zu kleinen kurzen Stümpfen,
Nicht kröpfen wie die Kronen der Weiden, der Linden,
Da üppig Blattwerk ringelt an den wunden Rümpfen;
Ich will mein Haar verhalten, es flechten und binden.

Doch wenn Nächte schweben, möchte ich es lösen,
Erlösen zu schwarzen Wolken, die Blitze rot durchbluten,
Braune Sturzäcker reißen aus den Spangen und Ösen,
Es unter Eisenbrücken werfen, blaue Fluten.

Ich lade ihm bunt die Boote mit Hölzern und mit Früchten,
Ich blas ihm Grauglasfische, leicht im Gefäll zu streifen,
Und streu die wilden Hühner, die über Schollen flüchten,
Und schmiede Kometen mit flammgewundenen Schweifen.

Ich will das Haar ausgießen auf ein reines Linnen;
Seine Strähnen sollen an die vier Winde rühren,
Als schmale klargefegte, dunklere Pfade rinnen
Zwischen Schneetüchern hin, dich führen und verführen:

Vor klagenden Hungerwölfen wird dich Zauber retten,
Der blasse, feine Ring mit herzgeformter Perle,
An allen Weges Ende auch mein Gesicht entketten
Aus dem begrabenen Brunnen, aus der gefangenen Merle.

Collection: 
1960

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