9. Wahrer Traum

1.
Ich gieng' einmahl im Traum zu Schiffe
die Mele war mit mir mein Kind/
es bließ der linde Westen-Wind
als unser Schiff zu Lande lieffe.
Indehm entstund' ein Schiffgeschrey
daß diß das Innland Zypern sey.

2.
Als wir das Ufer nu gegrüsset
umfieng mich Mel' und sprach zu mir:
Schaz/ laß uns schauen diß Revier/
das Tahl/ so iener Fluß begiesset/
und hier der Zinnen hohen Schein/
so fast die Wolken nehmen ein.

3.
Es war der Tempel der Dionen
um welchen der Poeten Schaar
so manchesmahl bemühet war/
wo Lieb' und Liebes-Kinder wohnen.
Sein Altertuhm und Göttligkeit
verkürzt' uns leichtlich Weg und Zeit.

4.
Wir kahmen zu den Marmortühren/
Kupido ließ uns bükkend ein/
die Priesterinnen schrekkt der Schein
der meine Schönheit pflegt zu zieren.
Sie schrien mit gebeugtem Knie:
hier ist die Venus/ hier ist Sie.

5.
Das Bild der Göttlichen Zytehren
verfärbte sich ob dem Altar.
Der Hauffe/ so im Tempel war
die Liebes-reizinn zu verehren
rieff läuter: der sonst keiner nicht
gebieret Ehre/ Würd' und Pflicht.

6.
Indehm bewegt ich mich im Schlaffe
der Traum verschwand/ Ich wurde wach
und dachte diesem Bilde nach.
Sich! (dacht' ich) daher rührt die Straffe.
Die Venus macht mir so viel Müh
weil Mele schöner ist/ denn Sie.

Collection: 
1660

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