22.

Einsam stieg ich empor auf des Harzwalds steilerem Bergpfad,
Nahete dir mich schon, ewiger, alter Granit,
Wo hochlodernd einst durch die Nacht vom felsigen Altar
Hell ins ferne Gefild flammte das Opfer des Mais.
Träumend schritt ich dahin, und es dämmerte leise der Vorzeit
Riesengebild mit des Wahns Wundergestalten umher.
Schaurig scholl, wie die Sagen entschwundener Zeit, das Gesäusel
Flüsternder Tannen, und fern rauschte der Bach des Gesteins.
Geier umflatterten Felsen und Wald lautkrächzend, und graunvoll
Schwieg, um Thäler und Höhn starrend, das Haidegefild.
Sieh, da nahetest du mit munterem Schritt aus des Waldes
Heiliger Nacht, und ich stand staunend und schaute dich an.
Hell umfloß dich das weiße Gewand, frisch grünte des Epheus
 Kranz um die Stirn, und es hielt Nelken die zierliche Hand.
Ach, wohl wähnt' ich ein Wunder zu sehn aus des früheren Glaubens
Zaubergebiet, denn nicht schienst du ein sterbliches Bild.
Leuchtete nicht im Blick dir der Hoheit Ernst, und erschien nicht
Geistig, um Wangen und Mund blühend, die Rose der Schaam?
Lieh dein Nahn nicht Licht und Gesang der verödeten Waldflur?
Blüheten nicht ringsum Blumen aus Haid' und Geklipp?
Und doch ließest du hold mich nahn, und der zagenden Rede
Standest du gern und gabst freundlich dem Worte das Wort.
Denn noch hüllte der Unschuld Flor dir die täuschende Welt ein,
Und nur Engel zu sehn wähnte der Engel in dir.
Traulich entwandelten wir, und bald nun nahte dem Jagdschloß,
Das im finsteren Hain glänzte, das kosende Paar.
Kundig zeigtest du jetzt mir die einfach edlen Gemächer,
Spartest Schöneres noch stets nach dem Schönen  mir auf.
Ach, längst hatt' ich das Schönste gesehn; dein Auge nur sucht' ich,
Wenn du mir Farb' und Glanz rühmtest und heiteren Reiz.
Doch nicht zittertest du vor dem kühneren Blick, jungfräulich
Standest du da; nie naht Züchtigen niedrer Verdacht.
Huldigend beugte mein Herz sich dir, ich zagte der Hoheit
Leuchtendem Strahl, und schnell rief ich das staunende Wort:
Königin solltest du seyn, nicht still in des hohen Gebirges
Oede verblühn, nicht fern prangen vom Preise der Welt!
Lächelnd sahst du mich an und sprachst, aufhebend der Nelken
Duftigen Strauß und sanft lüftend den zierlichen Kranz:
Bin ich Königin nicht im Hain? Leicht schwinget den blühnden
Scepter die Hand, und es schmückt grünend die Krone mein Haupt.
O so theile mit mir dein Reich, Holdselige, rief ich,
Und ich biete dir ganz, was mir die Muse verlieh!
Zweifelnd wiegtest du leise das Haupt mit sinnigem Lächeln,
Und um Blumen und Kranz tändelte zögernd die Hand;
Nimm von der Freundschaft denn, so sprachst du, die Hälfte der Blumen;
Aber des Dichters Stirn schmücke der völlige Kranz!

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Collection: 
1841

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12.

Laulich schlüpfte der West durch des Harzwalds schauriges Dunkel,
Ueber den felsigen Höhn spielte das Abendgewölk,
Sehnsucht rieselt' im Quell, und im Berghain rieselte Sehnsucht,
Sehnsucht wiegte sich her auf dem entfernten Geläut,
...

11.

Liebchen, o komm zum ländlichen Fest, das ich heute bereitet,
Wahrlich, im fröhlichen Kreis fehlte die Grazie sonst!
Sieh, zur arkadischen Flur ward rings der verödete Harzwald,
Hoch am schroffen Gebirg winket der Tempel der Lust.
...

10.

Bringst du vielleicht, was jetzt du mir sangst in traulicher Stille,
Einst in die Hände des Volks, zu der Gebildeten Ohr,
O dann tilge den Namen hinweg der Geliebten und jedes
Deutende Wort, denn hart richtet der kalte Verstand!
Also...

9.

Liebchen, wie leben wir doch so wundersam? Sind wir denn wirklich
Eins in das Andre verliebt, oder betrügt uns der Schein?
Traulich sitzen wir oft, und es scherzt muthwillig der Leichtsinn
Ueber das tiefe Gefühl, über ein schwärmendes Paar;
...

8.

Amor, himmelgeborener, komm, nicht jener, der sinnlos
In's wildwogende Meer frevelnder Lüste sich senkt,
Nicht du verderblicher Gott, der tief in die Herzen den Pfeil uns
Schleudert und hoffnungslos ewige Gluthen erweckt:
Nein, du reizendes...