• Von mir erbittest du entbehrte Ruhe.
    Ich beuge mich und löse dir die Schuhe,
    die von der Mühsal langer Fahrten reden
    und frage nichts. Mir sagen stumme Zeichen
    von Kämpfen, die die Stirn des Mannes bleichen.
    Dein Antlitz sehe ich und weiß um jeden.

    Ich kann die Stempel der durchlittnen Tage,...

  • Ich weiß noch Wälder, in denen Gott wohnt.
    Da geht er groß und gelassen im Schweigen
    heiliger Bäume, die sich schützend verzweigen,
    auf Wegen, die noch jeder Fuß verschont.

    Und um ihn her sind nur die unschuldigen
    Tiere, die träumend im Moose ruhn,
    und die mit ihren stillen, geduldigen
    Augen...

  • Nicht immer, wenn dein heiliger Name
    von fremden Lippen fällt, ist eine Schale
    so wie mein Herz bereit ihn aufzufangen.
    Auf Straßen liegt er achtlos übergangen.
    Oft las ich ihn wie eine wundersame
    Bergblüte auf im dunsterfüllten Tale.

    Und meine Tränen lösten ihn vom Staube.
    Ich flüchtete wie...

  • Wüßt ich, daß ich nur zu sterben brauchte
    und mein Herz, in Silber dann gefaßt,
    einen Talisman für dich bedeute:
    Ach, ich tötete mich heute!
    Würfe gern die lang getragne Last
    unfruchtbarer Freude, die verrauchte,
    hin und hätte alles Glück der Welt.

    Doch mir bleibt nur, daß ich weiter lebe...

  • Wenn ich endlich die Wüste, in die ich zu lange schon sehe,
    vor dir öffne und sage: dies muß ich in Zukunft durchschreiten, -
    wird mir dann, du mein Freund, deine Seele die Zuflucht bereiten,
    die ich nur noch für den einsamen Tag des Abschieds erflehe?

    Nimmst du einmal mein Herz in deine sanften Hände,
    läßt es im...

  • Ich hab meine Füße wund gegangen,
    weißt du, um wen?
    Und konnte doch nicht bis zu dir gelangen.
    Ich hab dich nicht einmal von fern gesehn.

    Ich hab meine Hände müd gerungen,
    weißt du, warum?
    Nicht Rufes Hauch ist bis zu dir gedrungen.
    Die Welt ist allzuweit, und du bliebst stumm.
    ...

  • Nur bei dir schweigt meiner Tage Angst, und gelinde
    löst sich des Leides Druck in glücklicher Wehmut,
    wenn ich auf deiner Stirn vertrauendes Lächeln finde
    und dich geschwisterlich grüße mit Stolz und Demut.

    Aber der Stunden sind viele, da blind ich in Dunkel greife,
    wankend in wirbelnde Leere, - und warte vergebens...

  • Bald wird mein junges Herz ein alt Gesicht
    im Spiegel sehn und wird es nicht begreifen,
    daß wenig schnelle Jahre schon die Schicht
    des weichen Schmelzes von den Zügen streifen.

    Noch blühte nicht die Eine Liebe ab,
    die ihre Aeste weit in mir verzweigte.
    Die unbemerkte Zeit entwich. Ich gab
    ...

  • Du meine stark' und holde Lieblingin!
    Auf kräft'gen Nacken mächt'ges Haupt gebaut,
    Du linde Wange, wollend festes Kinn -,
    Die meinem Blute auf den Boden schaut
    Und deutet seines Laufes Ziel und Sinn,
    Du Großgeäugte,
    An Urbrust wirkender Natur Gesäugte,
    Du meine stark' und holde Lieblingin!
    ...

  • Wo wir geweilt zu zwein,
    Wo wir auch nur rasche Stunde
    Rasteten zu kurzer Runde,
    Hold umgrenzt
    Alle Orte tragen einen Heiligenschein,
    Überglänzt
    Von beglückter Luft aus Licht und Wein.

    Aus: Ernst Lissauer Der inwendige Weg Neue Gedichte...