• Wie Wellen hin zum kies’gen Ufer rauschen,
    So eilen unsre Tage rasch zum Ziel;
    Im Wechsel müssen sie die Stellen tauschen,
    Sie dringen vorwärts stets in bunt Gewühl.
    5 Wenn die Geburt begrüßt des Lebens Licht,
    Zur Reife kriecht sie dann, die, kaum gewährt,
    Als hämisch Dunkel ihren Ruhm anficht.
    Der Zeit Geschenk wird von der Zeit zerstört;...

  • Gebeutst du deinem Bild, wach zu erhalten
    Mein müdes Auge in der dunkeln Nacht?
    Ist es dein Wille, daß in Traumgestalten
    Dein Antlitz neckend mir entgegenlacht?
    5 Ist es dein Geist, den du von dir entsandt
    Von ferne her, mein Treiben zu erspäh’n?
    Hat deine Eifersucht dich hergebannt,
    Um mich beschämt in leerem Thun zu seh’n? –
    Nein, deine...

  • Der Selbstsucht Sünde hält mein Aug’ umfangen,
    Beherrschet meinen Geist, mein ganzes Sein,
    Nicht Gegenmittel weiß ich zu erlangen,
    Da tief die Sünd’ im Herzen wurzelt ein.
    5 Kein Antlitz dünkt so hold mich als das meine,
    Kein Wesen zeiget so der Wahrheit Zier;
    Den eignen Werth bestimm’ ich mir alleine,
    Es kann kein Werth vergleichen sich mit mir...

  • Wenn meinen Theuren einst, wie mir geschieht,
    Der Zeit Unbill zerstörend wird erfassen,
    Sein Blut aussaugt und seine Stirn durchzieht
    Mit schnöden Furchen; wenn einst wird erblassen
    5 Sein Jugendmorgen unter Altersmüh’n;
    Wenn Reize, denen er, ein Fürst, befohlen,
    Dem Anblick schwindend, hingewelkt verblüh’n,
    Und seines Frühlings Schatz ihm...

  • Wenn durch der Zeiten grimme Hand entstellt,
    Ich seh’ Jahrhunderts stolze Pracht im Staube,
    Der Zinne mächt’ge Wucht zur Erd’ gefällt,
    Und ew’ges Erz der Menschenwuth zum Raube;
    5 Gewahr’ des gier’gen Oceans Gewinn,
    Den er des Ufers Königreich entrungen;
    Wie sich das Feste nahm die Meere hin,
    Verlierend stets Ergänzung sich erzwungen;
    Daß...

  • Was Aeußres kann die Menge von dir seh’n,
    Kein Witz wird je zu bessern dran wohl finden;
    Beseelt muß aller Mund dies eingesteh’n,
    Dein Feind selbst wird als wahr dein Lob verkünden.
    5 So krönet Aeußres dich mit äußrem Preis;
    Doch diese Zeugen, die dein Recht dir gaben,
    Sie schmälern dies Lob in andrer Rede Weis’,
    Da weiter als ihr Aug’ gespürt...

  • Wenn Erz, Stein, Erde, unbegrenzte Fluth
    Nicht trotzen kann der trüben Sterblichkeit,
    Kann Schönheit bergen sich vor solcher Wuth,
    Die keine Blum’ an Kräften überbeut?
    5 Was soll des Sommers süßen Hauch beschützen,
    Wenn heranbraus’t die rauhe Sturmesnacht,
    Da schwächer selbst des Felsens mächt’ge Stützen
    Und eh’rne Pforten als der Zeiten Macht?...

  • Nach Grabesruh’ muß müde ich mich sehnen,
    Wenn das Verdienst als Bettler sich mir zeigt,
    Wenn leeres Nichts sich putzend kann verschönen,
    Und reine Treu’ unsel’gem Meineid weicht;
    5 Wenn goldne Ehr’ der Schmach wird zugewendet,
    Und Jungfrau’ntugend frechen Muths entweiht;
    Und wie das Hohe schmählich wird geschändet,
    Und schwanke Herrschsucht...

  • Warum wohl soll er schuldbeflecket leben,
    Dem Frevel leihen seines Daseins Zier?
    Soll Sünde sich der Tugend gleich erheben,
    Sich brüsten, daß Genoss’ er heißet ihr?
    5 Darf falsch Gebild nachahmen seine Wangen,
    Und stehlen todten Schein von seines Lebens Blüth’?
    Warum soll arme Schönheit suchen zu erlangen
    Des Schattens Ros’, wenn ächt in ihm sie...

  • Ein Bild zeigt sein Gesicht von jenen Tagen,
    Als Schönheit lebt’ und starb der Blume gleich,
    Eh’ falscher Bastardschein es durfte wagen,
    Des Lebens Stirne zu verzieren reich;
    5 Bevor der Todte her noch mußte geben
    Sein goldnes Haar, verfallen schon dem Staub,
    Zum zweiten Mal auf zweitem Haupt zu leben,
    Eh’ todter Reiz des Fließes ward beraubt....