30.

Liebchen, ich rathe dir jetzt Verderbliches meinen Genüssen,
Aber den eignen Gewinn achtet die Liebe ja nicht.
Achtet die Liebe Verlust, wenn nur Einem fröhlicher Vortheil
Reift, und der Andre betrübt täuschende Saaten beklagt?
Siehe, du küssest mich oft und winkst mir am Fenster und nickst mir,
Lächelst verstohlen und reichst heimlich das Händchen mir dar,
Lispelst Worte der zagenden Schaam und Worte der Sehnsucht,
Worte der siegenden Lust still dem Umschlungenen zu,
Reichst ein Blümchen mir jetzt und jetzt mir des wallenden Busens
Fesselndes Band und lohnst jegliches zärtliche Lied.
Ach, nie drohn in dem Auge dir jetzt die Gewölke des Unmuths,
Spottende Launen umziehn nimmer den rosigen Mund.
Fruchtlos schwimm' ich dahin in dem ruhigen Ocean,  kaum noch
Ahnet mein Herz, daß es einst rauhere Wellen gekannt.
Ach, schon ward ich verwandt mit dem Glück durch süße Gewohnheit,
Nimmer genügt, was einst selig mich machte, mir jetzt.
Theile die Gaben der Huld, o theile sie! Lust und Erwartung,
Sehnsucht, Zagen und Furcht würze mir jegliche Gunst!
Lächle mir heute mit schmachtendem Blick und küsse mich morgen,
Und ein zartes Geschenk kröne den anderen Tag;
Doch es umdüstre das folgende Licht mir des schwarzen Gewölks Nacht,
Und bang zage das Herz unter der drückenden Luft,
Zittre dem Blitze des Hohns, der herabfährt aus der Umhüllung,
Nach dem erquickenden Lenz sehn' es von neuem sich hin!
Schlau ja sah ich dich sonst und gewandt, stets war ich dein Schüler;
Listige, zürnest du nicht, daß ich zum Lehrer gereift?
 Schutzlos schlummert der ruhige Geist in der Wiege des Zutrauns;
Trauest du meinem Wort, Liebchen, so traue mir nicht!

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Collection: 
1841

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12.

Laulich schlüpfte der West durch des Harzwalds schauriges Dunkel,
Ueber den felsigen Höhn spielte das Abendgewölk,
Sehnsucht rieselt' im Quell, und im Berghain rieselte Sehnsucht,
Sehnsucht wiegte sich her auf dem entfernten Geläut,
...

11.

Liebchen, o komm zum ländlichen Fest, das ich heute bereitet,
Wahrlich, im fröhlichen Kreis fehlte die Grazie sonst!
Sieh, zur arkadischen Flur ward rings der verödete Harzwald,
Hoch am schroffen Gebirg winket der Tempel der Lust.
...

10.

Bringst du vielleicht, was jetzt du mir sangst in traulicher Stille,
Einst in die Hände des Volks, zu der Gebildeten Ohr,
O dann tilge den Namen hinweg der Geliebten und jedes
Deutende Wort, denn hart richtet der kalte Verstand!
Also...

9.

Liebchen, wie leben wir doch so wundersam? Sind wir denn wirklich
Eins in das Andre verliebt, oder betrügt uns der Schein?
Traulich sitzen wir oft, und es scherzt muthwillig der Leichtsinn
Ueber das tiefe Gefühl, über ein schwärmendes Paar;
...

8.

Amor, himmelgeborener, komm, nicht jener, der sinnlos
In's wildwogende Meer frevelnder Lüste sich senkt,
Nicht du verderblicher Gott, der tief in die Herzen den Pfeil uns
Schleudert und hoffnungslos ewige Gluthen erweckt:
Nein, du reizendes...