20.

Heimliche Laube des Glücks, dichtgrünendes Blättergewebe,
Welches den spähenden Blick hemmt und den Lauscher betrügt;
Schweigendes Thal in dem sicheren Schoos hochragender Felshöhn,
Das ein Elysium mir öffnete, selig und still;
Rieselnde Bäche, von süßem Gesang umflötet, und du, ein
Zeuge des friedlichen Spiels, weiches, elastisches Grün;
Seyd mir gegrüßt, mit Thränen gegrüßt, und schenkt der Erinnrung
Träume, wo ihr mir sonst wirkliche Freuden geschenkt!
Ach, so sollt' ich euch einsam wiedererblicken und schweigend
Wandeln im Hain, den sonst Liebesgelispel durchfloß?
Fruchtlos sollt' ich den Arm ausstrecken in eitele Luft hin,
Wo sonst wogend und warm an die erbebende Brust
Mich die Geliebte mit schwärmendem Blick  festdrückte, wo glühend,
Halb errungen und halb willig ihr Kuß mich empfing?
Ach, dort saß sie im duftenden Grün: rings spielt' um die Locken
Ueppig der West und goß Blüthen auf Busen und Haar.
Blumen, ihr küßtet die reizenden Knie der Geliebten und webtet
Um das geschürzte Gewand einen ambrosischen Flor;
Ach, wie pflückt' ich so oft euch still, wenn sie eben hinwegsah,
Küßt' euch leis' und an's Herz drückt ich den lieblichen Raub,
Zürnte den Bienen, die früher den Hauch der süßen Berührung
Euch entstahlen, und rasch scheucht' ich die Lüsternen fort.
Jeglicher West, der empor von der Brust ihr den gaukelnden Flor hob,
Jeglicher Sylphe der Flur, der ihr den Nacken geküßt,
Weckte mir still aufschleichenden Neid, doch konnt' ich nicht zürnen,
Stets war, was sich ihr nur nahte, mir heilig und hehr.
Wahrlich, es' ist ein erhabneres Glück als trunkne Betäubung,
Und ein schönerer Sieg als des Genusses Triumph!
Fern war jeglicher frevelnde Wunsch vom Himmel der Unschuld,
Und die Erwartung nur füllte den Zirkel der Lust.
Kehre zurück, o kehre zurück, du Reizende! sieh, dein
Harret der Hain, und es harrt still das verödete Thal.
Längst schon schwieg der gefiederten Schaar süßtönendes Brautlied;
Amor nahet und flieht, an dich gekettet, mit dir.
Trüb' ist der glänzende Spiegel des Quells; kein anderes Bild soll
In ihm gaukeln, denn nie hascht' er ein schöneres Bild.
Stolz nur hebet die Rose den Kelch und stolz die Narcisse,
Denn nicht raubst du des Wests Küsse den Schmachtenden mehr.
Kehre zurück in den harrenden Arm des Geliebten, begeisternd
Tilge dein Kuß des Grams düstere Schatten hinweg!
Sinke dahin in den Taumel der Gluth, schon klopfet mein Herz, schon
Flammt mir der Blick, hochauf schäume, du  glühender Kelch!
Brich, wildschlagendes Herz, im unendlichen Rausch der Betäubung!
Um der Vernichtung Schlund webt sich ein duftender Kranz. -
Wehe mir! - Schweig' unseliger Wunsch! - O wehe mir! frevelnd
Scheucht' ich der Grazie Hauch aus der entweiheten Brust,
Raubte die Perle des himmlischen Thaus aus der Rose der Sehnsucht,
Schutzlos steht sie, und heiß trifft sie der sengende Strahl.
Kehre zurück, daß ein milderer Sinn in den Busen mir kehre!
Zagen und heilige Scheu folgen als Genien dir,
Amor legte die Schwingen für dich und legte den Pfeil ab,
In dein Auge gebannt, ward er zum zartesten Blick,
Süß wie Harmonicaton und leicht wie gaukelnder Mondschein
Schlüpft der ätherische Gott in das erzitternde Herz.
Selbst dein Kuß, die erschütternde Lust gluthvoller Umarmung
Hebt die Sinne hinauf in die entkörperte Welt;
 Wer dich erblickt, ihn fliehn des Gelüsts unholde Dämonen,
Und sein heißester Wunsch fordert nur Blicke von dir.

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Collection: 
1841

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12.

Laulich schlüpfte der West durch des Harzwalds schauriges Dunkel,
Ueber den felsigen Höhn spielte das Abendgewölk,
Sehnsucht rieselt' im Quell, und im Berghain rieselte Sehnsucht,
Sehnsucht wiegte sich her auf dem entfernten Geläut,
...

11.

Liebchen, o komm zum ländlichen Fest, das ich heute bereitet,
Wahrlich, im fröhlichen Kreis fehlte die Grazie sonst!
Sieh, zur arkadischen Flur ward rings der verödete Harzwald,
Hoch am schroffen Gebirg winket der Tempel der Lust.
...

10.

Bringst du vielleicht, was jetzt du mir sangst in traulicher Stille,
Einst in die Hände des Volks, zu der Gebildeten Ohr,
O dann tilge den Namen hinweg der Geliebten und jedes
Deutende Wort, denn hart richtet der kalte Verstand!
Also...

9.

Liebchen, wie leben wir doch so wundersam? Sind wir denn wirklich
Eins in das Andre verliebt, oder betrügt uns der Schein?
Traulich sitzen wir oft, und es scherzt muthwillig der Leichtsinn
Ueber das tiefe Gefühl, über ein schwärmendes Paar;
...

8.

Amor, himmelgeborener, komm, nicht jener, der sinnlos
In's wildwogende Meer frevelnder Lüste sich senkt,
Nicht du verderblicher Gott, der tief in die Herzen den Pfeil uns
Schleudert und hoffnungslos ewige Gluthen erweckt:
Nein, du reizendes...