26.

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Wie harrt' ich sonst dem holden Lenz entgegen,
Wie grüßt' ich froh des Sonnenlichtes Helle,
Das linde Wehn, die muntre Plauderquelle
Und erstes Grün in Feldern und Gehegen!

Nun wieder liegt der Frost auf allen Wegen -
Ich aber wünsche: Blieb' erstarrt die Welle!
O rückte nie die Zeit doch von der Stelle,
Und möchte nie doch milde Luft sich regen!

Denn wenn der Lenz mit frohen Schwalbenzügen,
Mit Klang sich naht und Duft und Blüthenprangen,
Dann ziehst du fort, läßt mich allein, allein!

Der Welt beschert er himmlisches Genügen,
Mich aber zieht zu dir ein heiß Verlangen,
Und einsam trauernd wandl' ich durch den Hain.

Aus: Gedichte von Albert Moeser
Erste Sammlung
Dritte sehr veränderte und vermehrte Auflage
Hamburg Verlagsanstalt und Druckerei Actien-Gesellschaft
1890

Collection: 
1890

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